Drinnen und Draußen: Keine Front

■ RAF rechnet mit Gefangenen ab: Verzicht auf Attentate wurde zuerst im Knast gefordert

Berlin (taz) – Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Nachdem Brigitte Mohnhaupt in der vergangenen Woche im Namen der Mehrheit der RAF-Gefangenen den Bruch mit den Illegalen im Untergrund proklamierte, meldeten sich gestern die RAF-Aktiven zu Wort. Auf sieben Seiten und in harschem Ton weist die Rote Armee Fraktion darin den Vorwurf zurück, für die Freilassung der RAF-Gefangenen einen „Deal mit dem Staat“ geplant zu haben und die Geschichte der RAF „abwickeln“ zu wollen. Brüsk heißt es in der Erklärung, die der taz zuging: „Alle Behauptungen, die das Gegenteil suggerieren, sind Dreck, unwahr.“ Hintergrund der Auseinandersetzungen unter den Gefangenen und den Militanten ist der Versuch der in Celle inhaftieren Lutz Taufer, Karl-Heinz Dellwo und Knut Folkerts, über den Industriellen Edzard Reuter und den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, in Bonn zu eruieren, ob es Spielräume für eine politische „Gesamtlösung“ der RAF-Problematik gebe. Den Kontakt zu den beiden Prominenten hatte der Bündnis 90/Grünen-Politiker Hans- Christian Ströbele hergestellt. Wie Ströbele gegenüber der taz erklärte, war die Initiative allerdings schon vor ihrer Veröffentlichung durch Mohnhaupt gescheitert.

„Hinter Eurer Erklärung steckt miese Taktik“, werfen die RAF-Aktiven den Gefangenen vor. Andernfalls hätten sie die Initiative der Celler Gefangenen nicht als „Deal“ denunzieren können, „obwohl doch einige von Euch eine ganz ähnliche Initiative überlegt hatten“. Heuchlerisch wird die Kritik der Gefangenen genannt, es sei ihnen im Jahr 1990 um „nichts anderes (gegangen), als Bewegung in den Prozeß zu bringen, in dem es Euch auch um Eure Freiheit ging und darum, neue Ausgangsbedingungen für Euch, für uns, wie für alle, die neue Bestimmungen suchten, durchzusetzen“ – „Auch dafür sollten wir den bewaffneten Kampf zurücknehmen, allerdings ohne öffentlich zu sagen, daß das in einem Zusammenhang steht.“ Zur Vorstellung einiger Gefangener habe damals gehört, die RAF sollte eine Erklärung abgeben, wonach der bewaffnete Kampf eingestellt werde. Ansonsten sei „jeder Gedanke an die Freiheit der Gefangenen Illusion“. Seinerzeit, heißt es weiter, seien die Illegalen sogar „verdammt, verflucht und gehaßt worden“, weil sie diesen Schritt noch nicht tun wollten.

Erneuert wird in dem Schreiben auch die „Deeskalationserklärung“ der RAF vom April letzten Jahres, in der die Illegalen ankündigt hatten, vorerst auf tödliche Attentate gegen Politiker und führende Wirtschaftsvertreter zu verzichten. Mit den globalen Veränderungen Ende der 80er Jahre sei die „Zentralperspektive der revolutionären Linken zusammengebrochen und damit die Funktion des bewaffneten Kampfes in der BRD in der strategischen Vorstellung der vergangenen Epoche“. Die Untergrundgruppe erklärt aber auch: „Die Freude von Staat und Kapital über den politischen Todesstoß, der Eure Erklärung gegen die RAF sein sollte, kommt zu früh: Wir werden solange die Verantwortung, die wir als RAF haben, tragen, bis das Neue herausgefunden ist.“ Ob das „Neue“ dann RAF heiße, „ist uns heute völlig egal“. wg

Dokumentation Seite 5, Kommentar Seite 10