Zubrot fürs Zwerchfell

■ Patrick Barlows „Der Messias“ im Schauspielhaus

Daß man als Hamburger Theater ein Weihnachtsmärchen im Repertoire haben muß, war wohl auch schon nach Basel gedrungen. Gottseidank hatte Frank Baumbauer dort ein fertiges Stück von 1988 am Haus, was er nur einpacken und ins Schauspielhaus transportieren mußte. Patrick Barlows Der Messias ist auch genügend klein und handlich, um es ohne Aufwand zu rekonstruieren. Ein paar Stellwände auf der Vorderbühne verwandeln das Schauspielhaus in eine Variete-Bühne, ein Koffer voll Requisiten reicht als Austattung und das komödiantische Rüstzeug der Schauspieler vollendet den fröhlichen Marsch durch die Weihnachtsgeschichte.

Michael Wittenborn und Andre Jung spielen zwei dilettierende Darsteller, die in permanent wechselnden Rollen das biblische Märchen um Jesu Geburt flott und locker an ihr aufgeschlossenes Publikum rüberbringen wollen. Unausgesprochenes und Animositäten zwischen den beiden unterbrechen aber immer wieder das hilflose Gespiele. So wollte Bernhard Theo immer schon mal sagen, daß er ihn künstlerisch für eine Null hält und spricht das schließlich auf der Bühne aus, worauf Theo Bernhard, der an Klaustrophobie leidet, unter der Bühnenfalltür einschließt.

Die beiden, die sich eigentlich lieben, aber an den gegenseitigen kleinen Fehlern verrückt werden - Theo ist ein Pedant, Bernhard ein eher lockerer bis tölpeliger Charakter, der konsequent die alte Stolpernummer praktiziert - verbindet neben der komplizierten Zuneigung eigentlich nur eine gemeinsame Esoterik-Meise, die sie unter Erklärungszwang dem Publikum mitteilen.

Überhaupt ist die Ansprache an die Gäste des Schauspiels, die alle Debatten über die richtige Spielweise miterleben, ein zentraler Aspekt des Stückes. Ist diese zu Beginn noch komisch bis zum lachenden Tränensturz, etwa, wenn das ganze Schauspielhaus bei der Volkszählungsszene mitspielt, so versickert diese Komik im Verlauf des Stückes doch zusehends.

Auch die Einführung einer Frau Timm (Ursula Grossenbach), die zur Ukulele Weihnachtslieder dudelt, ist ein entbehrlicher Einfall. Dennoch weiß Nikola Weisses Regie mit den einfachsten Mitteln erstaunliche komödiantische Effekte zu erzielen und Jung und Wittenborn dienen dem Spaß meist mit exquisiter Genauigkeit. Die Karikatur der Freien Theaterszene, speziell ihrer Softie-Variante, die Theater eigentlich zur Selbstfindung benutzt und darüber nie zur darstellerischen Qualität gelangt, gelingt mit perfider Präzision.

Obwohl sich abschließend schon die Frage stellt, wo das Gegengewicht dieser Inszenierung zu zumindest in Hamburg wohlbekannten Kieztheater-Stücken liegt, ist dieses Weihnachtsmärchen gegenüber den peinlichen Weihnachtsergüssen der letzten Jahre die bessere Lösung. Als Late-Night-Show im Großen Haus plaziert ist sie auch mehr als ein Zubrot oder ein Zugeständnis an das spezielle Hamburger Zwerchfell zu verstehen.

Till Briegleb