Ehrung für "Drei-Tage-Präsident"

■ In Sonderburg auf der Insel Alsen rief der in Potsdam geborene Matrose Bruno Topff vom 7. bis 9. November 1918 die Revolution aus / Dänische Delegation besuchte am 75. Jahrestag sein Grab in Berlin

War es der heimliche Wunsch der Dänen, auch an einer Revolution teilzuhaben? Der kleine nördliche Nachbar ist seit 1.000 Jahren ein Königreich. Am trüben Nachmittag des 6.11. 1993 versammelten sich jetzt 14 DänInnen auf dem Neuen Friedhof der 12-Apostel- Gemeinde in Schöneberg, um einen deutschen Revolutionär zu ehren. Kurt Philippsen, der auf Lebenszeit gewählte „Präsident“ der Bruno-Topff-Gesellschaft aus Sonderburg/Dänemark, meint, die neun Mitglieder des Vereins seien zwar alle dänische Royalisten, an diesen deutschen Revolutionär müsse man aber erinnern. Die Mischung aus Ernst und Spaß an einer skurrilen Idee schwingt in seiner Stimme mit. Und komisch sehen die nicht mehr ganz jungen Herrschaften schon aus mit ihren Marine-Mützen, die den Schriftzug „Bruno Topff“ tragen. Unter ihnen finden sich ein Schuldirektor, ein Fernsehkorrespondent, ein früherer Museumsleiter und ein pensionierter Bürgermeister. Bruno Topff ist ein in Sonderburg stadtbekannter Mann. Er war drei Tage lang sogar „Präsident“. Die Episode des Soldaten erinnert an den Berliner Wilhelm Voigt, den Hauptmann von Köpenick.

Ein Leben als Revolutionär

Am 6.November 1918 hatte sich auch in Sonderburg (damals noch deutsch) auf der Insel Alsen, 20 Kilometer nördlich von Flensburg, herumgesprochen, daß in Kiel die Matrosen revoltierten. In der kleinen Stadt mit 6.000 Einwohnern kursierte das Gerücht, daß ein Kreuzer mit revolutionären Matrosen aus Kiel auf dem Weg nach Norden sei. Die Offiziere versetzten die Mannschaften in Alarmbereitschaft, um gegebenenfalls die Revolutionäre zurückzuschlagen. Doch dann zerschlug sich das Gerücht, und die Soldaten sollten in die Kasernen entlassen werden. Das war die Stunde des aus Potsdam stammenden Bruno Gustaf Eugen Topff, damals 32 Jahre alt und im Rang eines Obermaats der kaiserlichen Marine. Topff, der im Feldlazarett Sonderburg seine Tuberkulose auskurierte, sprang — nur notdürftig mit einer Militärjacke über seinem Nachthemd bekleidet – auf einen Tisch und hielt eine flammende Rede, die die Soldaten wohl zugleich verblüffte und überzeugte. Am Ende rief er die Republik aus – und machte sich gleich zum Präsidenten der 320 Quadratkilometer großen Insel Alsen. Die späteren Anordnungen erteilte er im Namen des Soldatenrats, der außer ihm keine weiteren Mitglieder hatte. Topff ließ die Soldaten – für eine Revolution vorschriftsmäßig – den Bahnhof und das Postamt besetzen. Er verbot Tanzveranstaltungen und die Ausgabe von Alkohol. Das einzige Auto der Insel beschlagnahmte er. Auf seinen Streifenfahrten kontrollierte er die Banken, löste die Lebensmitteldepots des Landrats und der Marine auf und verteilte diese auf der Straße. Sogar die immer noch kaisertreuen Truppen im Sonderburger Schloß konnte er zur Aufgabe zwingen. Für Lebensmittel erließ er ein Exportverbot. Einen Bauern forderte er auf, seine Hühner und Kaninchen nicht zur dänischen Insel Fühnen zu bringen, sondern bei der Marine abzugeben, damit die Matrosen endlich wieder Hühnerfrikassee bekämen. Nach drei Tagen kam das Ende seiner Präsidentschaft. Topff, der ununterbrochen gearbeitet hatte, war von Krankheit und dem ständigen Anordnungen- Erteilen geschwächt. Er übergab die Macht an einen wirklichen Soldatenrat. Später wurde der kurzzeitige Präsident verhaftet. An der Bestrafung durch ein Militärgericht in Schleswig kam er vorbei – man erklärte ihn für verrückt.

Ein neuer Grabstein

Topff ließ sich am Ort seiner großen Taten als Schneidermeister nieder und starb dort 1920. Seine Familie holt den Sarg nach Berlin und beerdigte den Revolutionär auf dem Schöneberger Friedhof. Sein Grabstein auf dem Familiengrab ist inzwischen abgeräumt. Jetzt ist ein neuer da. Die Dänen haben zum 75. Jahrestag der Präsidentschaft und zum 73. Jahrestag seines Todes einen Stein mitgebracht. Steinmetzmeister Knud Grage aus Fredriksborg hat ihn selbst aufgestellt. Die Inschrift:

Matrose Bruno Topff

* 2.11. 1886 in Potsdam

+ 9.11. 1920 in Sonderborg,

Dänemark

„Präsident“ auf der Insel Alsen

Nordschleswig 7.–9.11. 1918

Und wie war das mit der Revolution in Dänemark? Warum gab es nie eine? Antwort vom „Präsidenten“ der Bruno-Topff-Gesellschaft: weil die Zeit zwischen den Mahlzeiten zu kurz ist. Jürgen Karwelat