Erbarmen macht seicht

■ Vor ihrem Gastspiel im Modernes: Die „Missfits“ über die Arbeit am Lachen

„Frauen und Kinder zuerst“: Die Missfits mitten in ihrem neuen Programm

Seit 10 Jahren treibt das Frauenkabarett „Missfits“ sein theatralisches Unwesen auf deutschen Bühnen. Heute und morgen gibt's im Modernes „Frauen und Kinder zuerst“ zu sehen: Drei Weiber sind die einzigen Überlebenden einer Kreuzfahrtkatastrophe. Die taz sprach mit ihnen über den Erfolg, die richtigen Lacher zur falschen Zeit und den Nutzen des allgemeinen Zynismus.

Ihr bezichtigt Euch, ein feministisches Kabarett zu sein?

Ja. Wir haben uns in allen Programmen ausschließlich mit Frauengeschichten beschäftigt. Was natürlich heißt, wenn man sich mit Heterofrauen auseinandersetzt, daß Männer eine Rolle spielten. Nicht in dem Sinne, daß wir nur die Männer verantwortlich machen für die Zustände. Es gehören immer zwei dazu: Ein Täter und ein Opfer.

Muß man bissig oder bösartig sein, um ein Stück zu produzieren, in dem alle lachen können?

Ich glaube, man muß eine Distanz zu den Dingen haben, über die man spricht. Wir haben zum Beispiel mal versucht, eine Nummer über Prostitution zu machen. Weil wir viel mit Huren gesprochen hatten. Aber wir haben zu diesem Thema nicht die nötige Distanz gefunden. Uns hat die Wut ergriffen oder der Ekel. Alles was wir dazu sagen konnten, war verbittert.

Wie schreibt ihr ein Stück?

Wir schreiben das nicht, wir im- provisieren. Wir stellen uns hin,

hierhin bitte das

Foto von den drei

Frauen im

Schlauchboot

es gibt ein Thema, wir recherchieren und dann packen wir aus. Aus dem Wust an Informationen, den man im Kopf hat, wird improvisiert. Dann wird gestrichen, gestrichen, gestrichen.

Braucht man Feindbilder?

Nein. Bei unseren drei Hauptfiguren in „Frauen und Kinder zuerst“ hat jede von uns Spielerinnen ihrer Figur eine eigene Geschichte geschrieben. So schaffst du dir für die Improvisation einen Hintergrund: Woher kommt die Figur, wie lebt sie, wer waren ihre Eltern? Aber das bleibt die Geheimsache jeder Einzelnen. Damit gehen wir dann auf die Bühne und gucken was passiert, wenn die aufeinanderknallen. Da gibt es kein Feindbild. Nur haben Steffi und ich einen gemeinsamen Grundzynismus entwickelt, mit dem wir an die Sachen herangehen.

Kann man diesen Grundzynismus im Alltag wieder ablegen?

Das muß man nicht. Ich kann schon noch ein bißchen zwischen den aufrichtigen, schönen Gefühlen unterscheiden - und dem Rest. Daß man sich verliebt, das ist zum Beispiel schön. Oder die Beziehung von Frauen zu ihrem Erfolg. Wenn man im Laufe der Jahre sagen kann: Jetzt kriege ich das, was ich verdient habe. Ein entkrampfteres Verhältnis zur Anerkennung.

Ihr habt jetzt einen solchen Erfolg gehabt...

Ja, mit dem Kleinkunstpreis des Mainzer Unterhauses. Wir befinden uns da in ausgesprochen

guter Gesellschaft. Aber wir werden unser Ding genauso machen wie bisher. Wir haben immer nach unseren völlig privaten Ideen gearbeitet. Bei dem Stück heute abend ist das die Antwort auf die Frage: Was ist für uns jetzt und heute Feminismus?

Drei Frauen, die überleben?

Ja. Drei Frauen, die überleben. Und die sagen, nach hinten geht's nicht, nach vorne ist im Moment nichts zu sehen. Also bleiben wir, wo wir sind. Aber mit Entschlossenheit.

Dürfen Kabarettistinnen Erbarmen haben?

Nein. Auf keinen Fall. Dann wird man seicht. Wir beschäftigen uns ja sowieso schon mit der weiblichen Seichtheit. Zum Beispiel mit Frauen, die in einem bestimmten Alter Freiheit nur noch empfinden, wenn sie likörchentrinkenderweise unanständige Witze erzählen. Wenn man da noch Erbarmen hat ...

Viele Kabaretts imitieren berühmte Persönlichkeiten. Kohl zum Beispiel. Würdet ihr sowas machen?

Nein. Erstens machen das andere besser. Und zweitens scheint das eine Männerdomane zu sein: Männer unter sich, die sich imitieren. Wir sind politisch eher da, wo es sich für jeden Menschen privat ausdrückt, wo man weniger Geld hat oder keine richtige Wohnung kriegt. Alles Manifestation von politischen Umständen. Diese Männerkabaretts fangen mit der großen Politik an und mit dem Imitieren der Kraftrolle. Wir beginnen mit der Alltäglichkeit.

Alltägliche Privatheit in ihrer ganzen Misere — oder?

Naja, diese ganzen Figuren sind von sich selber unheimlich überzeugt. Die Misere entsteht erst, wenn du von außen zuguckst.

Habt ihr daran selber Spaß?

Ja. Aber ich würde es nicht so gerne Misere nennen, eher das richtige Leben. Manche von den Frauenfiguren, die auf dem Schiff auftauchen, hasse ich. Die drei Kniffelweiber, die immer gröhlen und blöde Witze machen finde ich zum Beispiel ganz doof. Und wenn die Leute dann alle über diese doofen Witze lachen, dann denke ich: Oh, ihr seid alle blöd.

Gibt es eigentlich sowas wie die erfolgreiche Witzkonstruktion?

Nee, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Wir sind da immer wieder überrascht. Bei den Proben denken wir, das wird bestimmt ein Geck — und kein Mensch reagiert. Aber dann läßt du einen anderen Satz fallen und plötzlich mußt du eine Pause machen, weil alle abrollen. Wir sind da sehr untaktisch.

Wann merkt ihr denn zum ersten Mal, ob die Leute lachen müssen?

In der Vorstellung. Fragen: Eva Rhode

„Frauen und Kinder zuerst“: heute und morgen um je 20 Uhr im Modernes