Morsleben besetzt

■ Greenpeacler ketten sich an Anlagen

Morsleben (taz) – Rund 200 Greenpeace-Aktivisten haben gestern das Atommüll-Endlager Morsleben gestürmt und besetzt. Sie drangen bis in die Betriebshalle vor und ketteten sich an Förderseile, Krananlagen und Toren fest. „Atommüllkippe Morsleben – wegen krimineller Umwelt- und Menschengefährdung geschlossen“ steht auf einem Transparent, das die Greenpeacler in der Betriebshalle aufhängten.

„Um den Weiterbetrieb des Atomklos zu gewährleisten, haben die Verantwortlichen ihre eigenen Sicherheitsvorkehrungen für derartige Anlagen in krimineller Weise ins Gegenteil verkehrt“, kritisiert Greenpeace-Atomexpertin Inge Lindemann. Sie wirft Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vor, die Sicherheitsdefizite der Anlage zu verharmlosen. Es gebe mehrere Laugenzuflüsse aus dem Deckgebirge der Grube. Damit sei das Grubengebäude ständig in Gefahr, abzusaufen und einzustürzen.

Die im Atomgesetz für derartige Strahlenkippen vorgeschriebene Langzeitsicherheit ist für Morsleben nicht nachgewiesen worden und nach Greenpeace- Auffassung auch nicht nachweisbar. „Selbst das BfS und die Bundesregierung sprechen immer nur von einer gewährleisteten Sicherheit für den genehmigten Betriebszeitraum“, sagt Inge Lindemann. „Und der endet am 30. Juni 2000.“

Das BfS hat gegen die Besetzer des Endlagers Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Das Betriebsgelände des Endlagers wurde unmittelbar nach der Besetzung von einer Hundertschaft Polizisten hermetisch abgeriegelt. Selbst Journalisten durften erst nach geraumer Zeit an den Ort des Geschehens – auf dem gleichen Weg, den zuvor die Greenpeacler genommen hatten: mit Leitern über den Zaun.

Die Polizei gab sich optimistisch über ein baldiges Ende der Aktion. „Es ist schließlich ganz schön kalt da draußen“, sagte ein Polizeisprecher. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Besetzer ihre Aktion lange durchhalten.“ Greenpeace- Sprecher Rüdiger Rosenthal rechnete dagegen am Mittag mit einer baldigen Polizeiaktion zur Beendigung der Besetzung. Schließlich will das BfS noch in diesem Monat wieder mit der Einlagerung von Strahlenmüll in Morsleben beginnen. Rückenstärkung bekamen die Betreiber von Umweltminister Klaus Töpfer, der Morsleben erneut als rechtmäßigen und sicheren Ablagerungsplatz für Atommüll bezeichnete. Falls die Greenpeacler die Blockade beenden, sei er zu einem Gespräch bereit. Eberhard Löblich