Vier-Tage-Woche: Modell HBV

■ Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich auf freiwilliger Basis

Berlin (taz) – Die mißliche Lage der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) ist bekannt: Mitgliederschwund im Osten, finanzielle Probleme. Kürzlich warf deswegen HBV-Chef Lorenz Schwegler das Handtuch. Um Personalkosten zu sparen, probt die Gewerkschaft jetzt im stillen, was beim Volkswagen-Konzern schon vorzeitig für Furore sorgte: HBV-Mitarbeiter können freiwillig auf Teilzeit gehen – ohne Lohnausgleich.

900 Beschäftigte arbeiten derzeit für die HBV. 61 Millionen Mark Personalkosten im Jahr belasten die Gewerkschaftskasse. Acht Millionen davon sollen eingespart werden. Nachdem der Bestand der Beschäftigten mit Hilfe von Aufhebungsverträgen schon von 1.000 auf 900 reduziert wurde, hielt die Gewerkschaft nach weiteren Einsparmöglichkeiten Ausschau. „Betriebsbedingte Kündigungen wollen wir auf jeden Fall vermeiden“, betont HBV-Sprecherin Susanne Anger. Die Lösung: Inzwischen „gibt es eine ganze Reihe von Vereinbarungen, in deren Rahmen Kollegen von Vollzeit auf Teilzeit wechselten“. Dafür gebe es „keinen Lohnausgleich“.

Die Modelle der Gewerkschaft sind durchaus innovativ. Neben unbezahlten Arbeitszeitverkürzungen auf 25 Stunden oder 30 Stunden bietet die HBV auch die Möglichkeit, auf das 13. Monatsgehalt zu verzichten. Dafür können die Beschäftigten dann im Jahr insgesamt fünf Wochen zusätzliche Freizeit nehmen. Wer jede Woche einen freien Tag davon abfeiert, kann „dann eine Zeitlang die Vier- Tage-Woche“ praktizieren, so Anger. Alle Modelle sind freiwillig. Etwa 15 Prozent der Beschäftigten hätten bisher Interesse an Teilzeitarbeit bekundet.

Nicht nur die HBV, auch andere Gewerkschaften sind finanziell in der Klemme. Bei der ÖTV sollen rein rechnerisch 400 der 2.900 Stellen gestrichen, beim DGB rund 270 der 2.700 Beschäftigten eingespart werden. „Alles, was betriebsbedingte Kündigungen verhindert, muß dabei überlegt werden“, erklärt DGB-Sprecherin Sabine Niehls.

Neben Vorruhestandsregelungen spielen in den Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat auch Teilzeitangebote eine Rolle. „In welchem Rahmen dann der Lohnausgleich liegt, ist noch nicht klar“, so Niehls. ÖTV-Sprecher Rainer Hillgärtner formuliert es vorsichtig: Im Falle von Teilzeitregelungen „orientiert sich die Bezahlung im wesentlichen an der Arbeitszeit“.

Die finanziell klammen Gewerkschaften schöpfen alle Einsparmöglichkeiten aus. Die von den Gewerkschaften intern gewährten Gehaltserhöhungen liegen inzwischen sowohl bei HBV als auch bei der ÖTV unter den für die Mitgliedschaft in den offiziellen Tarifverhandlungen ausgehandelten Prozentsätzen. Bei der ÖTV empfahl die Schlichtungsstelle für die Beschäftigten nur ein schlappes Prozent mehr. BD