UKE-Skandal: Teure Entschädigung

■ Versicherung von Radiologie-Chefarzt will nicht zahlen / Über 300 Patienten fordern Schadensersatz / Auch Prostata-Kranke verstrahlt?   Von Sannah Koch

Bei der Entschädigung von strahlengeschädigten KrebspatientInnen aus der Universitätsklinik Eppendorf (UKE) kommt auf die Stadt offenbar eine sehr viel höhere Schadenssumme zu als bisher angenommen. Wie der Patientenanwalt Wilhelm Funke gestern mitteilte, lehnt die Versicherung des ehemaligen UKE-Strahlenchefarztes Klaus-Henning Hübener eine Beteiligung an der Schadensregulierung der PrivatpatientInnen ab. Das könnte bedeuten, daß die Stadt diese Kosten alleine tragen muß.

Die Verstrahlung von DarmkrebspatientInnen durch den Radiologie-Chefarzt Hübener in den Jahren 1986 bis 1990 hatte im Sommer für heftige Aufregung gesorgt. Drei Gutachter hatten Hübener ärztliche Fehlbehandlung attestiert – er wurde daraufhin suspendiert und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Inzwischen haben 241 KrebspatientInnen aus der UKE-Radiologie und 66 aus der Frauenabteilung Ansprüche auf Schadensersatz angemeldet, darunter 38 Privatversicherte.

Wie Senator Leonhard Hajen gestern vor dem Wissenschaftsausschuß der Bürgerschaft referierte, hat die Stadt bislang an 19 PatientInnen Abschlagszahlungen in Höhe von 855.000 Mark gezahlt (Höchstsumme 100.000 Mark), die PrivatpatientInnen gingen bislang leer aus. Seine Berufshaftpflichtversicherung sei für deren Entschädigung zuständig, hatte Hübener mitteilen lassen.

Doch diese winkt jetzt ab. Denn der Chef der Radiologie war laut Rechtsanwalt Funke offenbar bis Mitte 1992 nicht als Strahlentherapeut, sondern als Röntgenarzt haftpflichtversichert. Die Versicherung habe ihm mitgeteilt, so Funke, daß Hübener erst ab Juli '92 eine Rückwärtsversicherung als Strahlentherapeut abgeschlossen habe. Doch diese Klausel will die Versicherung nun für ungültig erklären. Begründung: Hübener sei bei Vertragsabschluß im Juli 1992 bereits über die von ihm produzierten Schadensfälle informiert gewesen, habe sie aber verschwiegen.

„Jetzt ist die Stadt voll drin“, kommentierte Funke das Schreiben gestern. Im letzten großen Hamburger Arztskandal, dem Fall des Barmbeker Orthopäden Bernbeck, hatte die Stadt Entschädigungssummen in Millionenhöhe zahlen müssen – davon hatte Bernbecks Versicherung jedoch 60 Prozent getragen. Im Fall Hübener gibt es laut Funke bislang aber noch kein Teilungsabkommen. Die Behörde betonte gestern jedoch, daß die Entschädigung in keinem Fall von einer Zustimmung der Versicherung abhängig gemacht werden solle.

„Skandalös ist“, so Funke, „daß die Stadt nicht gewußt hat, daß einer ihrer Chefärzte keine Haftpflichtversicherung hatte“. Hätte die Stadt ihre Hausaufgaben nach dem Fall Bernbeck gemacht, würden ihr diese Forderungen jetzt erspart bleiben. Denn die Bürgerschaft hatte den Senat 1987 aufgefordert, für alle Klinik-Mitarbeiter eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Der Beschluß des Parlaments wurde jedoch bis heute nicht umgesetzt. Der Staatsrat der Gesundheitsbehörde, Peter Lippert, kündigte gestern an, daß zur Jahreswende über diese Frage entschieden werde.

Ob es in den Jahren '86 bis '90 auch zu Verstrahlungen von Prostatakrebs-Kranken kam, will das UKE bis Ende November klären. Die Akten von 130 ehemaligen Patienten seien bis dahin auf mögliche Hinweise durchgesehen worden, erklärte gestern UKE-Sprecherin Marion Schaft gegenüber der taz. Nach Informationen eines Insiders gibt es auch bei dieser Patientengruppe Hinweise auf eine ärztliche Fehlbehandlung.