Neue Wache besetzt

■ Besetzer: Mahnmal verhöhnt NS-Opfer

„Deutsche Täter sind keine Opfer“, skandierten etwa 15 durchweg junge Menschen. Sie ketteten gestern ihre Füße an die Gittertüren des Eingangs der Neuen Wache, um gegen die Gleichstellung von Opfern des deutschen Faschismus und Menschen, die diesem System dienten, zu demonstrieren. Die Polizei beendete nach zwei Stunden die Besetzung und nahm zehn Teilnehmer fest. Zuvor hatte das zuständige Bundesinnenministerium Strafanzeige gestellt. Etwa 30 weitere Demonstranten, die vor der Neuen Wache ein Transparent „Jetzt erst recht – gegen alten und neuen Faschismus“ entrollt hatten, protestierten gegen das Vorgehen der Polizei.

Am Sonntag wird Bundeskanzler Kohl in der Neuen Wache die „Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland“ einweihen. Die Gedenkstätte soll „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“, wie es auf einer Tafel steht, gewidmet sein. Die Besetzer, die aus verschiedenen antifaschistischen Gruppen wie beispielweise dem „Auschwitz-Komitee in der BRD“ und der „Antirassistischen Initiative“ stammen, halten dies für eine Verhöhnung der Opfer des Faschismus. Es könne doch nicht egal sein, ob jemand im Krieg als SS-Mann gefallen sei oder als Jude umgebracht wurde, erklärte ein Sprecher der Gruppen vor der Neuen Wache. Die Einrichtung dieser Zentralen Gedenkstätte ziele darauf ab, die Erinnerung an den Völkermord, der von den Nazis begangen wurde, auszulöschen. So werde in der Zentralen Gedenkstätte der Nationalsozialismus nicht einmal beim Namen genannt. Das Gedenken der Opfer des Faschismus sei „heuchlerisch“, wenn auch heute wieder Behinderte auf offener Straße angegriffen werden oder Roma und Sinti vor der Ausweisung stehen, hieß es in der Verlautbarung der Besetzer. Thomas Nagel