„Gerechtere Steuern“

■ Polens Wirtschaftspolitik im Sejm

Warschau (taz) – Polens neue Regierung aus Bauernpartei und exkommunistischen Sozialdemokraten wird die Sozialausgaben, die Renten und die Löhne in der staatlichen Verwaltung erhöhen. Das geht aus dem Expose hervor, das Premier Waldemar Pawlak am Montag abend im Parlament vorstellte. Mit monotoner Stimme kritisierte Pawlak zwar die Politik seiner Vorgängerin Suchocka, vermied aber eine ausdrückliche Distanzierung. Seine Regierung werde zum Beispiel die Arbeiten am Dezentralisierungsprogramm der Regierung Suchocka fortführen, obwohl es unausgereift sei.

Aber der Zustand des Staatshaushalts sei „katastrophal“. Pawlaks Spielraum ist daher gering, von den Wahlkampfversprechungen bleibt wenig übrig. 1994 wird es keine volle Anpassung der Renten an die Inflation geben, die Gehälter in der staatlichen Verwaltung werden niedriger sein als in der Staatsindustrie – alles unter der Voraussetzung, daß die Staatseinnahmen wachsen. Das soll durch Bekämpfung der Steuerhinterziehung, des Schmuggels und durch eine „gerechtere Steuerpolitik“ erreicht werden, was nur heißen kann, daß der Spitzensteuersatz für Privatpersonen von 40 Prozent auf 50 Prozent steigt.

Dafür soll es dann auch höhere Familienbeihilfen und mehr Wohngeld geben. Firmen, die Arbeitsplätze zerstören, sollen bestraft, solche, die Arbeitsplätze schaffen mit Steuernachlässen belohnt werden. Die Privatisierung soll weitergeführt werden, ebenso die Zusammenarbeit mit der EG. Stärkeres Augenmerk müsse man auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Osten, „darunter auch dem Fernen Osten“ richten. Als einzige Länder erwähnte Pawlak Japan und China.

Die Frage, ob seine Regierung die bisherige Höhe des Budgetdefizits auf über fünf Prozent des Bruttosozialprodukts anzuheben gedenkt, beantwortete Pawlak nicht. Diese Grenze war Polens Finanzministerin bisher vom Internationalen Währungsfonds gesetzt worden, Vertreter der Linken hatten sie nach den Wahlen um ein halbes bis ein Prozent anheben wollen.

Präsident Walesa, der nach Pawlaks Rede eine Pressekonferenz einberief, war kein Wort der Kritik zu entlocken. Seine Vorbehalte hielt er allerdings aufrecht: „Die Rede war lang und ambitioniert, aber das Leben schreibt die Realisierung dazu.“

Das Parlament stimmt heute über die Vertrauensfrage für Pawlak ab. Da die Regierungskoalition mehr als 300 von insgesamt 460 Sitzen im Sejm einnimmt, hat der Chef der Polnischen Bauernpartei nichts zu fürchten. Klaus Bachmann