■ Press-Schlag
: „Für Gaby tu' ich alles“

Beim Fußball, das wissen wir, seit der Ball rund ist, geht es um Leidenschaft, wallende Emotionen, Freudentaumel, Siegesräusche und andere tiefe Gefühle. Hier nun sei die Rede nicht vom Glücksmoment nach erfolgreichem Torschuß, sondern vom reinsten Gefühl schlechthin: Liebe. Wahre Liebe! Und wir staunen.

„Liebe ist Privatsache“ – das sagt der Präsident der Aachener Alemannia, und er hat, eigentlich, recht. Doch in diesem Fall sind die Liebenden nicht irgendwelche zwei: Ein intensives Techtelmechtel soll sich in den vergangenen Wochen (noch gibt es letzte zaghafte Dementis) zwischen dem ersten Angestellten des Fußball-Oberligisten Alemannia Aachen, Trainer Wilfried „Winnie“ Hannes (36), dem früheren achtfachen Nationalspieler von Borussia Mönchengladbach, und einer Frau Gabriele Mohn entsponnen haben. Mohn (35), attraktiv und stets überaus schick gekleidet, ist Diplomkauffrau, Vorständlerin im Bundesverband Junger Unternehmer und – Vizepräsidentin der Alemannia. Dort sieht man sie, so die Lokalpresse, seit zwei Jahren „mit rotem Minirock durch die rauhbeinige Fußballwelt“ wandeln. Gekommen war sie (Chauvi- Credo des Präsidenten: „Man muß auch was für die Optik tun“), um (männliche) Sponsoren zu locken. Und fing jetzt den Winnie.

Die Fans auf dem Tivoli reagierten mit Kreativität auf die charmante Liaison: Weniger die Kicker wurden mit Applaus begrüßt, denn der Trainer sangesfroh mit altem deutschem Schlagergut: „Für Gaby tu' ich alles“ hallte es vielkehlig durchs Stadion. Doch bei sportlicher Talfahrt wird die Situation – Liebe hin, Liebe her – auch in Aachen nüchterner. Hannes' trainerische Qualitäten nämlich sind umstritten, und der Club (Tabellenfünfter momentan, fünf Punkte hinter dem Ersten, Fortuna Düsseldorf) scheint auch im vierten Anlauf am erklärten Saisonziel Zweitliga-Rückaufstieg vorzeitig zu scheitern.

Und auch Vereinsfreunde wollen im Zweifelsfall lieber Sieg und Aufstieg statt verliebtem Übungsleiter und turtelnde Vizepräsidentin und rufen jetzt „Hannes raus“. Die Heimatblätter halten die Demission des trainerberuflich Erfolglosen längst „für überfällig“. Und so brütet das Präsidium über der Frage: Entlassen oder nicht. Doch wie soll sich die arme Gaby entscheiden? Kämpft sie für ihn? Sperrt sie sich? Details aus den Sitzungen kennen wir nicht. Stellen uns die Interndebatten aber durchaus pikant vor. Hannes rein, Hannes raus? Tut Gaby für Winnie wirklich alles? Es scheint so. Noch ist Hannes, selbst nach zwei Heimniederlagen in Folge, völlig branchenunüblich im Amt. Der Nichtentlassene sagt: „Die Mannschaft muß die Antwort geben.“ Tut sie, durch Gegentore. Und er – bleibt trotzdem.

Wir staunen und ahnen: Das Aachener Modell der Unkündbarkeit kann Schule machen. Visionen tun sich auf, wie sich Trainer vor dem Rauswurf zu retten versuchen, was, aus Frauenmangel in den Führungsetagen, auch männerintern geschehen kann: Schon sehen wir Erich Ribbeck händchenhaltend mit dem Kaiser, Christoph Daum als Leiseflüsterer demütig zu Füßen von Mayer-Vorfelder, wie Stepi sich an Reiner Calmund kuschelt, und die Freunde Toppmöller und Vize Hölzenbein engumschlungen Arm in Arm im Riederwald spazieren. Wir fragen uns (und Herrn Lemke), warum sich in Bremen ein Coach so lange halten kann (Otto). Wir verstehen, warum nur Masochisten in Dresden Trainer werden können (Otto). Wir fragen: Welche wirkliche Rolle spielt eigentlich Kölns Geißbock Hennes? Und schließlich sehen wir die Katastrophe kommen: Wadenbeißer Vogts knabbert nach dem Vorrunden-Aus bei der WM 94 dem DFB-Chef Egidius Braun (aus Aachen!) so zärtlich an den Fesseln, daß der ohnehin lebenslängliche Vertrag noch über den Tod hinaus verlängert wird. Bernd Müllender