Ausgefallener Geburtstag

■ Was Sie schon immer über Sat.1-Spenden wissen wollten

Sat.1 wird 1994 zehn Jahre alt. Ein Grund zum Feiern? Wenn man sich das Programm ansieht, keineswegs. Das muß wohl auch die Geschäftsführung eingesehen haben. Denn als Herr Krähe und ich zur Sat.1-Pressekonferenz ins Berliner Café Einstein einlaufen, wird es gerade verkündet: Das Fest fällt aus. Das gesparte Geld – 400.000 DM – wird für ein SOS- Kinderdorf gespendet. Dazu werden demnächst unentgeltlich 500 Spots gesendet, die auch die Zuschauer zum Spenden auffordern.

Als die Lobeshymnen der Sat.1- Verantwortlichen auf ihre uneigennützige Werbekampagne zu penetrant werden, sehen wir uns unter den andächtigen Zuschauern nach bekannten Gesichtern um. Und wirklich: In zwei Stiefeln, die den Verdacht nahelegen, daß draußen im Nieselregen das ein oder andere Pferd wartet, erkennen wir die „Radio 100,6“-Redakteurin Susanne B. Herr Krähe und ich sind der Dame zu Dank verpflichtet; war sie es doch, die uns einst uneigennützig die hohe Kunst des anbiedernden Boulevard-Journalismus enthüllte. Folgende – ungeschriebenen – Gesetze lernten wir damals kennen und schätzen: Wenn man einer Gruppe Klatschreporter angehört, die zu den Dreharbeiten der Vorabendserie „Der Leibwächter“ in eine Berliner Kneipe eingeladen wurde, dann gehe man sofort zur Hauptdarstellerin Barbara Rudnik, lächele sie überschwenglich an und verkünde: „Toll siehst du wieder aus, Barbara!“ (Nie benutzt man nämlich den Nachnamen, wenn man seinen Star anspricht.) Danach nähere man sich der Nebenrolle Anouschka Renzi, die gerade fotografiert wird, und versichere ihr, daß die Bilder „bestimmt sehr, sehr gut“ würden. Wenn man dann von zwei wie zufällig am Buffet stehenden und ob solcher Blödigkeit staunenden taz-Autoren gefragt wird, ob man denn diese „sehr, sehr guten Stars“ persönlich kenne, antworte man stolzgeschwellt: „Ihr seid bestimmt noch nicht lange in unserem Beruf; wir kennen uns hier alle irgendwie, und einmal im Jahr gehen wir auch in München auf eine Party und reden zusammen!“ Wenn man dann von den beiden ausgelacht wird, ohne zu wissen, warum, begebe man sich sofort zum Regisseur und glaube diesem, daß die neue Vorabendserie viel besser als alle anderen sei. Und außerdem „sozialkritisch“, weil sie „in ganz normalem Milieu“ spiele, mit „Mafia und Zuhältern und so“.

Warum Sie hier nicht weiter über die großzügige Spendenaktion informiert wurden? Weil Ihnen das Sat.1 besorgen wird. Und zwar gründlich, darauf können Sie wetten! Martin Sonneborn