■ Das Portrait
: Die Brücke

427 Jahre lang hatte die Alte Brücke von Mostar Kriegen und Erdbeben getrotzt. Janitscharen, K.-u.-k.-Soldaten, Ustascha-Offiziere und deutsche Truppen stiefelten über ihre wuchtigen Steinquader. Touristenströme wälzten sich über den eleganten Bogen. Waghalsige Männer stürzten sich von ihr für ein paar Groschen 21 Meter tief ins Wasser. Vor allem aber diente sie den Einwochnern Mostars, um über die schwindelerregende Schlucht der Neretva von einem Ufer der Stadt zum andern zu gelangen. Und bis in ihre letzten Tage gingen im Schutz der Nacht Hunderte von Wasserträgern über die Alte Brücke, um die am linken Flußufer eingeschlossenen 50.000 Muslime aus einer Quelle am rechten Ufer zu versorgen. Unter dem Beschuß kroatischer Artillerie stürzte das Bauwerk, das schon zu Beginn des Krieges durch eine serbische Granate schwer beschädigt worden war, am Dienstag 10.16 Uhr Ortszeit in die Fluten der Neretva.

Hajrudins Bauwerk Foto: A. Kaiser/G.A.F.F.

Die Alte Brücke von Mostar war 1566 nach dem Plan des türkischen Baumeisters Hajrudin fertiggestellt worden und ersetzte eine hölzerne Hängebrücke, die der Hauptstadt des türkischen Sandschaks Herzegowina ihren Namen gegeben hatte. „Mostari“ hießen die Brückenwächter. Erbaut wurde die Brücke von Meistern aus Dubrovnik, die als Steinmetze und Maurer in gutem Rufe standen. 1676 und 1716 wurde das militärstrategische wichtige Bauwerk mit zwei Türmen befestigt, die heute beide vom Krieg schwer mitgenommen sind. Auf der linken Seite der Neretva steht der Tara-Turm, der den türkischen Truppen bis zur österreichisch-ungarischen Okkupation als Pulver- und Munitionsmagazin diente, auf der rechten Seite der Halebinovka-Turm, in dem das Osmanische Reich unbotmäßige Untertanen schmachten ließ. Der alte Hajrudin, ein Schüler des großen türkischen Baumeisters Sinan, hätte übrigens nie gedacht, daß sein Werk so lange halten würde. Nachdem der Sultan ihm angedroht hatte, er werde ihn einen Kopf kürzer machen, falls die Brücke einstürze, ergriff er die Flucht. So will es jedenfalls die Sage. Diejenigen, die verantwortlich dafür sind, daß dieses von der Unesco auf die Liste des zu schützenden Kulturerbes der Menschheit gesetzte Bauwerk nun zerstört ist, wird niemand zur Rechenschaft ziehen. Thomas Schmid