Der Terrorist als Kommunikator

Verfassungsschutz-Chef Werthebach stufte vor dem „Mykonos“-Untersuchungsausschuß Darabi zum VEVAK-Informanten runter / War Darabi in Sprengstoffdelikt verwickelt?  ■ Aus Berlin Dieter Rulff

Der mutmaßliche Drahtzieher des „Mykonos“-Attentates, der Iraner Kazem Darabi, war, nach Erkenntnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz, seit 1988 Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes VEVAK. Wie der Präsident des Amtes, Eckart Werthebach, gestern vor dem „Mykonos“- Untersuchungsausschuß des Abgeordnetenhauses erklärte, lagen seiner Behörde jedoch keine Hinweise auf von iranischen Stellen gesteuerte Anschläge vor. Darabi sei kein hochrangiger Mitarbeiter gewesen, sondern „als Informant“ der VEVAK tätig gewesen, der „von der iranischen Botschaft nachrichtendienstliche Aufträge“ erhielt. Diese Einstufung Darabis widerspricht zumindest den Erkenntnissen der Volksmudschaheddin, die unter Berufung auf Informanten im Iran letzte Woche erklärten, daß Darabi „unter der direkten Leitung des Geheimdienst-Chefs der Mullahs, Ali Fallahian“, operiert habe. Auch die Bundesanwaltschaft kommt zu dem Ergebnis, daß Darabi „ein Agent“ der VEVAK war.

Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes hat Darabi „eine herausragende Rolle als Vermittler und Kommunikator“ gespielt, da er ab 1987 hoher Funktionär der pro-iranischen Studentenorganisation Usia war und auch nationale Treffen der Fundamentalisten organisierte, zugleich als Mittelsmann zur Hisbollah fungierte, für die er auch Geld beschaffte, und im Auftrag der VEVAK Ausspähungen Oppositioneller vornahm.

Nach Werthebachs Worten war es „ungewöhnlich“, daß sich Führungsfunktionäre, etwa der Usia, an terroristischen Aktivitäten beteiligen, da sie damit die Position ihrer Organisation im Gastland gefährden würden. Darabi wurde daher mangels entsprechender konkreter Hinweise vom Verfassungsschutz nicht als potentieller Terrorist eingeschätzt. Daß dies wohlmöglich eine Fehleinschätzung war, hätte dem Bundesamt für Verfassungsschutz allerdings bereits seit dem 6. August 1991 klar sein können. An diesem Tag wurde in Paris der letzte Premierminister des Schahs, Schahpur Bachtiar, erschossen. Aufgrund der Tat sind vier Iraner in zum Teil politisch exponierter Position angeklagt, darunter der Neffe Chomeinis und ein ehemaliger Mitarbeiter der iranischen Botschaft.

Allerdings wurde bei den Ausführungen Werthebachs deutlich, daß dem Verfassungsschutz bei seiner Gefährdungs-Einschätzung womöglich nicht alle Daten über Darabis politische Vita zur Verfügung standen. Von dessen Verbindung zu einem Sprengstoffvergehen wußte er zumindestens nichts. Ein entsprechender Verdacht ergibt sich aus einem Telefax, das das Bundeskriminalamt am 15. April 1992 an die Berliner Ausländerbehörden sandte. In dem Schreiben, das der taz vorliegt, wird unter Hinweis auf ein Ermittlungsverfahren „wegen Verdachts der versuchten Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und des versuchten Mordes ..., um die kurzfristige Übersendung der Ausländerakte des Kazem Darabi“ gebeten. Werthebach machte keinen Hehl daraus, daß er den iranischen Geheimdienst „nicht zu den befreundeten Diensten rechne“, und daß Darabi sich auch in den achtziger Jahren „nicht in der BRD aufhalten“ sollte, da er das Gastrecht mißbrauche. Sein Aufenthalt wurde jedoch, obgleich möglich, nicht beendet.