Voscherau: „Ich bedauere das ernsthaft“

■ Der Senatschef: Ein bißchen unzufrieden, ein bißchen beleidigt, ein bißchen einsichtig

taz: Mit dem Scheitern der rotgrünen Verhandlungen haben sich Henning Voscherau, Helmut Schmidt und die Handelskammer doch durchgesetzt. Sie dürften doch eigentlich jetzt ganz zufrieden sein?

Voscherau: Bin ich aber nicht.

Warum nicht?

Weil das Leben so einfach nicht ist. Die SPD ist auf einen verläßlichen Partner für eine tragfähige Koalition angewiesen. Wir sind auch angewiesen auf die Akzeptanz der Bevölkerung, um die politische Position der SPD nicht weiter zu unterminieren. Und es kann doch keinen Zweifel geben, daß die GAL-Wähler und viele - wenn vielleicht auch nicht die Mehrheit der - SPD-Wähler in dieser Lage für Rotgrün votieren würden. Da wäre also diese Tragfähigkeit. Deshalb finde ich das Verhalten der GAL bedauerlich.

Dennoch haben sie den entscheidenden Schritt auf die GAL zu nicht gemacht.

Ich wollte ja weiterverhandeln. Die SPD-Delegation hat am Mittwochabend zwei zusätzliche Kompromisse angeboten - Armutsbekämpfung und Energiekonsens. Und wir waren konsterniert, daß die GAL - offenbar aufgrund innerer Widersprüche - die Tür zugeknallt hat.

Die SPD-Verhandlungskommission scheint die einzige Gruppe in dieser Stadt gewesen zu sein, die von dem Abbruch überrascht gewesen ist. Ein Zeichen von Realitätsferne?

Mag sein. Aber für uns war das kein Taktikspiel, sondern wir haben uns ganz konkret um die Probleme der Menschen in dieser Stadt gekümmert ...

... und sind dabei zu kurzgesprungen.

Es ist mißlungen, und ich bedauere das - ernsthaft.

Nun stehen sie da mit geplatzten Verhandlungen, ohne Mehrheit im Parlament. Und mit Differenzen in der eigenen Partei, deren Tragweite noch nicht eingeschätzt werden können. Wie lange bleibt Henning Voscherau angesichts dieser Situation noch Bürgermeister?

Das kann man nicht prophezeien. Das hängt ab von der Seelenlage der Hamburger SPD nach dem Abbruch der Koalitionsverhandlungen durch die GAL. Es hängt auch von der Seelenlage der SPD-Bürgerschaftsfraktion ab. Diese Frage werde ich erst beantworten könne, wenn die emotionalen Auswirkungen des gestrigen Schritts der GAL auf die SPD sicher eingeschätzt werden können.

Was empfehlen Sie denn ihrer Partei, um den Bürgermeister Henning Voscherau mit einer Mehrheit in der Bürgerschaft auszustatten ...

Nicht Henning Voscherau, die SPD!

... damit Henning Voscherau regieren kann.

Das ist nicht mein Ziel.

Nein?

Mein Ziel ist, im Sinne des Vermächtnisses von Willy Brandt, Gutes zu bewirken. Voraussetzung dafür ist, daß man auf der Höhe der Zeit ist.

Zweifeln sie daran, das im Moment zu sein?

Voraussetzung dafür, daß man das sein kann, ist, daß die eigene Partei und die übrigen Kräfte in der Stadt diesen Eindruck haben. Ich selbst habe zwar schon den Eindruck, daß ich auf der Höhe der Zeit bin. Aber auf die eigene Sichtweise kommt es in der Demokratie nur beschränkt an.

Das Gespräch führte Uli Exner