Künstlicher Regen soll den Tiergarten retten

■ Umweltuntersuchung zu Potsdamer Platz: Gutachter fordern Änderung der Bebauung und Erhalt des Gleisdreiecks

Durch die Bebauung des Potsdamer Platzes und der Leipziger Straße drohen „gravierende ökologische Risiken“. Dies ist das Resümee der von der Bauverwaltung in Auftrag gegebene Umweltverträglichkeits-Untersuchung (UVU), die der taz vorliegt. Nach dem 145 Seiten starken Ergebnisbericht seien Schäden durch umfangreiche Grundwasserentnahmen, durch den Verlust ökologisch wertvoller Lebensräume sowie durch Verkehrslärm und Autoabgase zu erwarten. Die neun Umwelt-, Stadtplanungs- und Ingenieurbüros, die die Untersuchung durchführten, schlagen weitgehende Maßnahmen vor, mit denen die möglichen Folgen „vermieden, vermindert oder kompensiert werden müssen“. Unter anderem raten sie zu Veränderung der Baupläne.

Während der zehnjährigen Bauphase auf der 51 Hektar großen Stadtbrache rechnen die Gutachter mit einer Grundwasserentnahme von bis zu 20 Millionen Kubikmetern jährlich. Da bei einem Abpumpen von einem Drittel dieser Menge der Grundwasserspiegel im östlichen Tiergarten bereits um 1,7 Meter sinke, „besteht die Gefahr der Schädigung der Vegetation und der Bausubstanz denkmalgeschützter Gebäude“. Um diesem Risiko vorzubeugen, müßten Baugruben wasserdicht sein sowie Vorkehrungen gegen Havarien getroffen, das entnommene Grundwasser in der Umgebung versickert und im Großen Tiergarten „Beregnungsmaßnahmen“ durchgeführt werden.

Von den 713 heute vorhandenen Bäumen auf dem Potsdamer Platz und Leipziger Straße müßte zumindest der größte Teil der 212 Straßenbäume erhalten werden. Einzäunung, Bewässerung sowie die zeitweise Abdeckung und Beregnung „sollten selbstverständlich sein“. Für einen vollständigen Ausgleich und Ersatz des Eingriffs in den Naturhaushalt sei die Bereitstellung einer adäquaten Fläche unerläßlich. Das Gleisdreieck biete sich an.

Die Stadtbrache, auf der später einzelne Gebäude bis in eine Höhe von über 100 Metern ragen, werde ihre klimatische Funktion einer „vermutlich großräumig wirksamen Nord-Süd-Belüftungsachse“ nicht mehr erfüllen. Die letzte Frischluftverbindung für den Tiergarten wäre zugebaut. Um einen „Überwärmungseffekt“ im Baubereich zu vermindern und die Belüftung zu gewährleisten, müsse der Lennépark verschoben werden. Die Gutachter raten darüber hinaus, westlich des Leipziger Platzes, entlang der Neuen Linkstraße, der Neuen Promenade sowie am Potsdamer Platz Baufluchten zurückzunehmen und Bauhöhen zu reduzieren. Auf das wesentliche Gestaltungsmerkmal – die künstlichen Wasserflächen – sollte ebenfalls verzichtet werden. Sie verhinderten eine Versickerung des Regenwassers und hätten im Gegensatz zu den dafür geforderten Grünflächen nur minimalen klimatischen Nutzen.

Nach Fertigstellung werden der Lärm und die Luftverschmutzung einen für Innenstadtbereiche typischen Grad erreichen. Blockinnenbereiche zu verkehrsreichen Straßen sollten geschlossen werden. Wohnungen, Altenstift, Kitas und Spielplätze sollten deshalb an den Potsdamer Personenbahnhof verlagert werden. Auf Grund des prognostizierten Staus raten die Gutachter auch zum Überdenken und Optimieren der verkehrlichen Gesamtkonzeption – „auch mit dem Ziel, die gesicherte Erschließung der Einzelvorhaben zu gewährleisten“. Dirk Wildt