Pokern um den Schienennahverkehr

■ Heute entscheidende Verhandlungsrunde über Bahnreform zwischen Bundeskanzler und Ländern / Milliardenpoker über Finanzierung des Regionalverkehrs geht weiter / Bund macht Zugeständnisse

Bonn/ Berlin (dpa/ AP/ taz) Vielleicht bewegt sich heute doch etwas in Sachen Bahnreform. Bei der strittigen Frage, wieviel Geld die Länder für den Schienennahverkehr erhalten sollen, ist die Bundesregierung nun womöglich zu einem Entgegenkommen bereit. Heute finden dazu Gespräche zwischen Bundeskanzler Kohl und den Regierungschefs der Länder statt. Eine Einigung ist dringend nötig, wenn die Bahnreform tatsächlich noch, wie geplant, am 1. Januar über die Bühne gehen soll.

Die vorgesehene Strukturreform einschließlich der Gründung einer Bahn-AG hätte inzwischen im Grundsatz die Zustimmung sowohl der Länder als auch der SPD- Bundestagsfraktion und sogar der Gewerkschaft der Eisenbahner, hieß es in Bonn. Doch nach wie vor schwelt der Streit zwischen Bund und Ländern über die Höhe der Zuschüsse für die Regionalisierung des Personennahverkehrs auf der Schiene. Im Zuge der Bahnreform sollen die Länder vom Bund die Verantwortung für den Regionalverkehr auf der Schiene übernehmen.

Die Länder fordern jährlich 14 Milliarden Mark; sonst sei ein funktionierender Schienennahverkehr nicht zu gewährleisten. Der Bund hatte bislang nur etwa acht Milliarden und zusätzlich eine Investitionshilfe von 1,5 Milliarden Mark geboten.

Am Mittwoch abend hatten sich bereits Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann und der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Rudolf Scharping, zu dieser Frage besprochen. In Bonn hieß es daraufhin, über den Sockelbetrag von acht Milliarden Mark für den Schienennahverkehr hinaus könnten die Länder zusätzlich mit weiteren Milliarden für Investitionen in die Schiene rechnen. Entgegen der mittelfristigen Finanzplanung soll das Geld aus dem Topf des Gesetzes zur Finanzierung des Gemeindeverkehrs nicht um drei Milliarden Mark reduziert werden, sondern bei 6,28 Milliarden Mark im Jahr bleiben. Im geplanten Schienenwegeausbaugesetz solle außerdem rechtsverbindlich festgelegt werden, daß der Anteil der Investitionen in den Schienennahverkehr zwei Milliarden statt der bisher zugesagten 1,5 Milliarden Mark beträgt. Die von den Ländern verlangte Summe von 14 Milliarden Mark im Jahr könnte so annähernd doch noch zusammenkommen. Dem Vernehmen nach sind allerdings nicht alle Länder damit einverstanden, daß das Geld aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz kommen soll.

Der hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) hatte zuvor gefordert, der Ausbau der regionalen Bahnstrecken solle über eine weitere Erhöhung der Mineralölsteuer um etwa acht Pfennig pro Liter finanziert werden. Dieser Vorschlag wird allerdings von der Bundesregierung strikt abgelehnt, ebenso wie die Forderung der Länder nach einem prozentualen Anteil der Mineralölsteuer. Ob die Länder der Bahnreform bei den heutigen Gesprächen zustimmen, ist also nicht sicher. lieb