: Aids-Fonds beschlossen
■ Seehofer erwägt „Musterprozeß“ / Differenzen im Untersuchungsausschuß
Berlin (taz) – Die Vertreter von CDU/CSU und SPD konnten sich gestern im Aids-Untersuchungsausschuß des Bundestages noch nicht darauf einigen, welcher der drei Themenkomplexe im Mittelpunkt stehen wird. Während die CDU/CSU den Schwerpunkt auf die Entschädigung für die HIV-infizierten Bluter und Empfänger von Blutpäparaten legen möchte, will die SPD vor allem die Frage der politischen Verantwortung klären. „Die Frage der Entschädigung ist entscheidungsreif, dafür braucht man keinen Untersuchungsausschuß“, erklärte Klaus Kirschner, der Stellvertreter des SPD-Obmannes Horst Schmidbauer, nach der Ausschußsitzung. Mit einem SPD-Entwurf zur Entschädigungsfrage befasse sich Anfang Dezember auch der Gesundheitsausschuß des Bundestages. Kernpunkte sind die Umkehr der Beweislast zugunsten der Betroffenen und Änderungen des Haftungsrechts, die eine Entschädigung in Zukunft erleichtern.
Ähnliche Pläne hegt nun auch Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU). Der Minister läßt derzeit prüfen, mit welchen rechtlichen Mitteln HIV-infizierte Bluter und Transfusionsgeschädigte unterstützt werden können, die noch keinerlei Entschädigung von der Versicherung erhalten haben. Eine denkbare Möglichkeit sei, eine Art Musterprozeß gegen die Versicherungswirtschaft zu führen, erklärte Hartmut Schlegel, der Sprecher des Ministeriums. Darüber hinaus plane Seehofer, das Arzneimittelrecht so umzugestalten, daß die rechtliche Position der durch Blutprodukte Infizierten gestärkt werde und sie künftig leichter Ansprüche geltend machen können. Einzelheiten werde Seehofer am heutigen Freitag bekanntgeben.
Rechtsanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen, der 1987 und 1988 mit den Pharmaversicherern für die Bluter Entschädigungen ausgehandelt hat, erklärte, das Arzneimittelrecht von 1976 sei „miserabel“ und in der Haftungsfrage unzulänglich. Danach stünden HIV- infizierten Blutern derzeit nur etwa 15.000 Mark Entschädigung zu. „Die Hauptfrage ist, ob jetzt ein Anspruch auf Schmerzensgeld verankert wird“, erklärte der Anwalt. Dann läge die Entschädigung um 100.000 bis 150.000 Mark höher.
Der Haushaltsausschuß des Bundestages beschloß gestern einen Soforthilfefonds für die Betroffenen des Aids-Blut-Skandals. Der Fonds soll mindestens 25 Millionen Mark betragen und schon ab Januar 1994 erste Leistungen ausschütten. Die 300 bereits erkrankten Bluter und Transfusionsgeschädigten sollen eine monatliche Rente von 2.000 Mark erhalten, die etwa 1.500 HIV-Infizierten bekommen 1.000 Mark im Monat. Die Haushaltspolitiker des Bundestages erwarten, daß in weiteren Verhandlungen der Beitrag der Länder und der Pharmaindustrie noch aufgestockt wird. Sie appellierten eindringlich an das Deutsche Rote Kreuz und die Versicherungsunternehmen, ebenfalls einen Beitrag zu leisten. win
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