Der Europa-Streit in der Union schwelt weiter

■ In einer Regierungserklärung bekannte sich Kohl zur Politik Adenauers bis Schmidts

Bonn (taz) – Der in der Union schwelende Konflikt um die Europapolitik ist auch in der gestrigen Aussprache des Bundestags nicht geklärt worden. Bundeskanzler Kohl (CDU) bezeichnete in einer kurzfristig anberaumten Regierungserklärung die Integration im zusammenwachsenden Europa als lebensnotwendig für Deutschland und ging dabei nur indirekt auf die europakritischen Thesen des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ein. Stoiber hatte in der vergangenen Woche den politischen Einigungsprozeß als umkehrbar bezeichnet und behauptet, die „Union insgesamt“ vollziehe einen Bruch in der Europapolitik.

Kohl bezeichnete die „Absicherung und Fortführung des europäischen Einigungswerkes“ als „Schicksalsfrage“. Die wirtschaftlichen Erfolge der EG seien durch eine wie auch immer geartete Freihandelszone allein nicht zu bewahren, eine „politische Union“ sei auch nötig, um Frieden zu bewahren. Ausdrücklich warnte Kohl vor einem Rückzug auf „überlebte nationalstaatliche Modelle“ und forderte, Deutschland müsse für die europäischen Partner berechenbar bleiben. Im Gegensatz zu Stoiber stellte er sich ausdrücklich in die Tradition Adenauers Europapolitik und bezog in die Traditionslinie auch die SPD-Kanzler Brandt und Schmidt ein. Die SPD-Abgeordnete Heide Wieczorek- Zeul sagte, sie vermisse angesichts des offenen Dissens ein „Machtwort“ des Kanzlers. Stoiber schade dem Ansehen Deutschlands und den Interessen seiner Bürgerinnen und Bürger.

Stoiber warf seinen Kritikern einen „Hang zum bewußten Mißverständnis“ vor. Er habe allein vorausgesagt, daß die Europäische Union in diesem Jahrzehnt nicht in Kraft treten werde, aber nie einen Austritt aus der Gemeinschaft gefordert. Mit Blick auf die Kritik an seinen nationalen Tönen meinte er: „Die hysterischen Reaktionen zeigen, wie weit wir in Deutschland von einem normalen Verhältnis zur Nation entfernt sind.“ Der Bonner CSU-Landeschef Michael Glos erklärt gestern in einem Interview, Stoiber verfolge die richtige politische Strategie. Von einer Tabuisierung „rechter Themen“, halte die CSU nichts. Mon