Tonfa: Der Ruf nach dem Totschläger

■ Polizeigewerkschaft fordert Einführung der umstrittenen Nahkampfknüppel "Tonfa" / Manche PolizistInnen haben ihn schon privat besorgt

Die Forderung ist alt, dennoch wird sie immer wieder von PolizistInnen neu erhoben: Die offizielle Einführung des Nahkampfstocks „Tonfa“, in Polizeikreisen gern als „Rettungsmehrzweckstock“ verniedlicht. Doch bislang haben die Bundespolitiker den Uniformierten dieses Begehren verweigert, weil diese Waffe lebensgefährlich ist. Lediglich Bayern und Mecklenburg-Vorpommern haben sich eigenwillig diesem Votum widersetzt und planen, jetzt PolizistInnen mit dem Tonfa auszustatten. Grund für den Kreisverband Itzehoe der Gewerkschaft der Polizei (GdP), auf dem derzeit stattfindenden GdP-Kongreß in Kiel nun auch für Schleswig-Holstein die Einführung des Tonfa im Polizeidienst zu fordern.

Der Tonfa ist ein länglicher Stab, an dem an der einen Seite ein geschmeidiger Handgriff befestigt ist. Die deutsche Version des Tonfas besteht entweder aus einer Stahleinlage mit einem Hartkunststoffmantel oder aus glasfaserverstärktem Polyester-Innenleben in Polyurethan-Hülle.

Durch den Griff kann der Tonfa fest an den Unterarm gepreßt werden, Schläge mit einem Schlaginstrument oder -stock können vom geschulten Nahkämpfer problemlos durch den vorgehaltenen Arm gekontert und abgewehrt werden. Da das Stockende am Unterarm an beiden Seiten herausragt, wird der Tonfa als verlängerter Arm in beiden Richtungen genutzt, indem – beispielsweise bei mehreren Angreifern – Schläge nach vorne und hinten ausgeteilt werden. Ein Treffer mit dem Tonfa in Rippen oder Bauch hat unweigerlich Brüche oder andere schwere Verletzungen zur Folge.

Gewiefte Tonfa-Kämpfer benutzen den Nahkampfstock auch als Schleuderwaffe. Am Griff gehalten wird der Stock in Schwingbewegungen versetzt, dadurch können Angreifer aus allen Richtungen auf Distanz gehalten oder kampfunfähig gemacht werden, wenn der Tonfa-Schlag den Kopf trifft.

In ungeübten Händen kann der Tonfa tödlich sein.

Nahkampfcracks satteln sogar noch drauf. Sie halten zwei Tonfas in ihren Händen. So kann mit dem Handgriff des einen Stocks ein Widersacher am Hals gepackt und herangezogen werden, um ihm mit dem zweiten Schlagstock den Hieb zu verpassen, der ihn kampfunfähig macht.

Der Tonfa stammt aus dem asiatischen Raum. Unter Kampfsportexperten besteht Einigkeit darüber, daß der „Mehrzweckrettungsstock“ in der Hand eines Ungeübten zu einer tödlichen Waffe werden kann. In Deutschland ist der Nahkampfstock daher verboten, nur in Kampfsportvereinen darf mit ihm offiziell gekämpft werden. Trotzdem kann er in einschlägigen Geschäften erworben werden.

Mit der Forderung der Itzehoer GdP wird vermutlich eine alte Diskussion neu entflammen. Nach langen Debatten hatte nämlich die Innenministerkonferenz 1988 die generelle Einführung des Tonfas im Polizeidienst abgelehnt. Grund: Beim Berliner Weltwirtschaftsgipfel hatten Polizisten kurz zuvor Demonstranten mit Tonfas schwer verletzt und für Negativschlagzeilen gesorgt.

Der Einsatz des Tonfas wird von Polizei-Fachleuten „hart unterhalb der rechtlichen Voraussetzungen zum Schußwaffengebrauch“ angesiedelt. Nicht zuletzt, weil das Gerät zuweilen auch als „Totschläger“ genutzt wird. Zudem weisen die Fachleute darauf hin, daß der Tonfa bei mangelnder Kenntnis und Übung des Anwenders auch „ungewollt zu erheblichen Verletzungen“ des Gegners führen kann, der Beamte oder die Polizistin dann mit erheblichen rechtlichen Folgen rechnen muß.

Daher ist der Einsatz des Tonfas in Deutschland nur bei den Sondereinsatzkommandos (SEK, MEK, GSG 9) gestattet. Auch nach Auffassung von Dietmar Lutz, Abteilungsleiter für öffentliche Sicherkeit im Schleswig-Holsteinischen Innenministerium, sei eine Anwendung nur bei regelmäßigem Training möglich. Der Aufwand dafür, nämlich allen PolizistInnen dieses Training zu ermöglichen, sei zu groß. Ungeachtet dessen haben sich viele PolizistInnen, denen das „Nein“ zur offiziellen Einführung des Nahkampfstocks im allgemeinen Polizeidienst als Affront vorkommt, den begehrten Stock – was vor allem bei Demonstrationen schon des öfteren beobachtet werden konnte – längst privat im Handel besorgt.

„Bedrohungspotential in der Fläche nicht hoch genug“

Rückendeckung erhalten sie jetzt von der GdP. Die Einführung dürfe nicht an der mangelnden Aus- und Fortbildung scheitern, so Holger Niehus von der GdP Itzehoe. Er verweist darauf, daß „Randalierer“ immer öfter mit „Baseballschlägern und Eisenstangen“ ausgerüstet seien. Dagegen seien die bisher benutzten und nur als Hiebwaffen tauglichen Schlagstöcke – im Polizeijargon „Abdrängstab“ genannt – nutzlos.

Hamburgs GdP hält den Vorstoß der Itzehoer Kollegen für „idiotisch“. GdP-Geschäftsführer Dieter Schöneck: „Wir lehnen die Einführung des Tonfas ab. Denn man braucht eine Superausbildung, bevor man das Ding überhaupt anfassen sollte.“ Schöneck hält das „Bedrohungspotential in der Fläche“ für nicht so hoch, daß eine Tonfa-Bewaffung in Hamburg zu rechtfertigen wäre. Zudem sei seine Organisation generell nur für defensive Bewaffung: „Wir wären sogar für die Abschaffung der Schußwaffe, wenn es eine Alternative gäbe.“