Angst vor Schlangen und vor der U-Bahn

■ Ärzte-Symposium am UKE über Angststörungen und deren Behandlung     Von Kaija Kutter

Angststörungen sind nach Alkoholabhängigkeit und Drogensucht die häufigste psychische Erkrankung. 14 Prozent der Erwachsenen litten gravierend an dieser Krankheit, sagte gestern der Leiter der Verhaltenstherapie-Ambulanz an der Uniklinik Eppendorf, Professor Iver Hand. Doch während Angstkranke früher falsch behandelt worden seien, habe dank guter öffentlicher Aufklärung in den letzten fünf Jahren ein Bewußtseinswandel eingesetzt. Hand: „Heute kommen Patienten leichter aus sich heraus, erkennen Ärzte dank Fortbildung besser die Leiden der Patienten.“

Die Störung kann sich auf vielfältige Weise äußern: Menschen haben Angst vorm U-Bahn-Fahren, vor Schlangen oder vor Spinnen, Platzangst, Höhenangst oder aber auch Angst vor Betriebsfeiern und öffentlichen Auftritten. Viele versuchen ihre Panik mit raffinierten Tricks zu überspielen, Berufstätige verzichten sogar auf wichtige Geschäftsreisen, weil sie Angst vorm Fliegen haben, berichtet Professor Hand.

Man gehe davon aus, daß es eine Veranlagung zu erhöhter Angstbereitschaft gebe, die durch Faktoren in der Kindheit, wie etwa überängstliche oder überbeschützende Eltern, verstärkt würden. Auch gebe es Phobien, wie Angst vor Wasser, die in bestimmten Altersstufen entwicklungsbedingt auftreten. Hand: „Meistens verlieren sich diese Ängste mit der Pubertät, kommen aber später in einer Krisensituation wieder hoch“.

Es gibt aber auch Ängste, die durch banale körperliche Ursachen erzeugt werden. Wenn beispielsweise eine Hausfrau sich ohne ordentlich zu essen den ganzen Tag in einem Kaufhaus auf Schnäppchenkauf begibt und einen Kreislaufzusammenbruch bekommt und sich diese Situation wiederholt, könnte sie Platzangst entwickeln. Auch könnte chronischer Hasch oder Alkoholkonsum zum Ausbruch von Ängsten führen.

Umgekehrt greifen aber Menschen zum Alkohol, um ihre Ängste zu betäuben. Andere „somatisieren“, gehen zum Arzt und lassen sich Beruhigungsmittel verschreiben: Dreiviertel aller Tranquilizer und die Hälfte aller Antidepressiva werden nicht von Psychiatern, sondern von praktizierenden Ärzten verschrieben. Hand: „Ich kenne Internisten, die haben in ihrer Kartei tausend Patienten, die eigentlich an Angststörungen leiden“.

Doch die Versorgung der Stadt mit Therapieplätzen sei so schlecht, daß nicht mal ein Fünftel korrekt versorgt sei. Auf einem „Interaktiven Workshop-Symposium“, der heute im UKE stattfindet, soll deshalb ganz pragmatisch überlegt werden, wie die Lage verbessert werden kann. Hand: „Denkbar wäre zum Beispiel eine Update-Kartei mit freien Therapieplätzen“. Neben den rund 350 Therapeuten mit Kassenzulassung gibt es den „Grauen Markt“ der nicht offiziell zugelassenen Therapeuten. Bei einem „round Table Gespräch“ soll über Mindestanforderungen der Qualitätssicherung bei der Behandlung von Angstpatienten gesprochen werden.

Auf dem Ärzte-Kongress, der nichtöffentlich und mit 260 Teilnehmern völlig ausgebucht ist, sind auch „Versuche zur Selbsthilfe“ Thema. Rund die Hälfte der Betroffenen seien nur leicht oder mittelschwer angstgestört, sagt Hand. Sie könnten sich nach kurzer Beratung durch einen Therapeuten mit gezielten Übungen selbst helfen.