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: Herr X oder Herr Hitler

„Gottschalk“, RTL, Donnerstag, 23.15 Uhr

Die Legenden werden gefeiert, so, als seien sie schon dahin. Nach Heinz Rühmann hatte Thomas Gottschalk Johannes Heesters geladen, und das drei Wochen den anderen voraus, um den 90. Geburtstag des Frack- Charmeurs zu begehen. Eine Sendung ganz allein für den Jubilar mit einem bestens vorbereiteten Publikum, das – ausgestattet mit dem Heesters-Logo, dem weißen Schal – genau den Einsatz kennt für die Standing ovations. Der Künstler ganz gerührt mittenmang, und Gottschalk sprudelt: „Einer von den ganz Großen“, „beinahe Hollywood“.

Der Rest ist Geschwätz, und der Profi Heesters kennt seinen Part: ein paar Anekdoten, ein paar Töne besten Gesangs, ein bißchen Altersweisheit. Das Publikum trampelt mit den Füßen. Wieder gelingt es Gottschalk – wie schon bei Rühmann –, einen Künstler zu feiern und dabei kaum ein Wort über die Zeit zu verlieren, in der der Jubilar den imposanten Grundstein legte für die Karriere. Dabei hatte gerade Heesters – wie kaum ein anderer – 1941 mit seinem Konzert für die SS-Wachmannschaft im Konzentrationslager Dachau vorgeführt, in wessen Dienst die leichte Unterhaltung während des „Dritten Reichs“ stand.

Gottschalk gab das Stichwort vor für die wohlbekannte Rechtfertigungsarie, wie man sie schon kennt von der Rökk oder der Leander oder dem Rühmann. Heesters: „Ich war so jung, ich wollte Karriere machen, Holland war dafür zu klein, deshalb ging ich nach Deutschland. Ich wollte Karriere machen, ob bei Herrn X oder bei Herrn Hitler, das war mir Wurst.“ Und: „Ich habe gespielt für das Publikum und nicht für Herrn Hitler.“ Wieder rast das Publikum, ganz gerührt. Und Heesters wird noch einmal zur großen Identifikationsfigur, die so leichthin sich zu entlasten sucht wie alle anderen, die damals mitgemacht haben. „Ich schaue lieber nach vorn“, so sein Credo.

Damit nicht genug. Wie schon bei Rühmann, als Gottschalk sich die Schützenhilfe von Joachim Kaiser von der Süddeutschen Zeitung holte, steht diesmal Hellmuth Karasek vom Spiegel bereit, von Gottschalk als „Intellektueller“ gelobt und von Heesters als „Professor“ geschmeichelt, dem Operettensänger die ultimative Weihe zu geben. Karasek: „Sein Kriegsschauplatz waren Charme und Eleganz.“ So wird hierzulande Geschichte gemeistert und entsorgt. Elmar Kraushaar