Immer Einwanderungsland

■ „Zuwanderer und Einheimische“, West 3, So., 22.20 Uhr

„Es ist diese Stadt nicht sonderlich groß und ist von schlechten Gebäuden.“ So schrieb ein Chronist am Ende des 30jährigen Krieges über die Residenzstadt Berlin. Es fehlte an Arbeitskräften, um die verwüsteten Städte und Ländereien wiederaufzubauen. Also erließ der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm ein Einwanderungsedikt.

Die Niederländer, Protestanten wie er und bekannt für fleißiges Streben, wurden als erste angelockt, zumal von kurfürstlichen Geschenken: Haus und Hof für jede Familie. Der Kurfürst bevorzugte darüber hinaus religiöse Minderheiten als Neubürger, Hugenotten aus Frankreich, Protestanten aus Böhmen und in Wien verfolgte Juden; letztere erhielten keine Geschenke.

Mit dem 19. Jahrhundert beginnt der Kohleabbau im Ruhrgebiet. Es fehlt an Arbeitskräften, besonders an fachlich ausgebildeten. In polnischen Kohlerevieren werden die Zechenbesitzer fündig. Die Zuwanderer sind preußische Staatsbürger, die sich mitsamt ihren Familien niederlassen – aber ihre Integration wird erst möglich, als sie sich von der eigenen Sprache entfremdet und eingedeutschte Namen zugelegt haben.

Die Geschäfte gehen wieder gut, aber es fehlen die Arbeiter, die daraus ein Wirtschaftswunder machen. Ab 1955 bietet die Adenauer-Regierung Italienern, Türken, Portugiesen, Spaniern einen Arbeitsplatz für begrenzte Zeit. Alle müssen sich einer militärmäßigen Musterung unterziehen, denn nur die Kräftigsten dürfen einreisen. Die sogenannten Gastarbeiter leben in Baracken und erhalten keinen Deutschunterricht, aber die Zuwanderung auf Zeit bleibt eine Illusion der Bürokraten.

In drei Teilen versuchen drei Autoren, die Geschichte der Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland nachzuzeichnen. Neben dem historischen Abriß legen alle drei Wert auf die Darstellung der Probleme, mit denen die Arbeitswilligen im fremden Land zu kämpfen hatten und haben, und zwar immer dann, wenn sie mehr wollten als nur arbeiten.

Deutlich wird – und dies war Anlaß und Ziel dieser Reihe des Westdeutschen Rundfunks –, daß entgegen anderslautenden Äußerungen dieses Land immer ein Einwanderungsland war, daß es immer davon profitiert hat – und sich selten dankbar zeigte. Oliver Rahayel

Teil 1: „Niemand wird Preuße denn aus Not“, 14. November, 22.20 Uhr

Teil 2: „Neue Heimat im ,Wilden Westen‘ – Polen im Ruhrgebiet“, 21. November, 22.40 Uhr

Teil 3: „,Gast‘-Arbeiter im Wirtschaftswunderland“, 28. November, 21.50 Uhr