Labyrinth mit Havel

■ "Ein böhmisches Märchen", arte, Samstag, 20.40 Uhr

Das Phantom der Prager Burg hat sich lange vor der Kamera geziert. Václav Havel, der Dissident und Dichter-Präsident, geht lieber mit den Leuten in die Kneipe, statt für PR-gerechte homestories zu posieren. Nun hat es der in Frankfurt lebende Exil-Prager Ivan Fila doch geschafft, den scheuen Schöngeist für seinen ungewöhnlichen Porträt-Essay zu gewinnen. Seine Dokumentation ist eine atmosphärische Bildercollage, die sich Havel mit melancholischen, tragikomischen und beiläufigen Momentaufnahmen nähert. Ohne strapazierende, faktenlastige Kommentare läßt er die Situationen aus sich heraus wirken – eine Spurensuche, die im ältesten tschechischen Knast von Pilsen beginnt.

Es wird Nacht. Hundegekläffe. Gittertore tun sich auf. Ein fiktiver Gefängniswärter möchte über den berühmten Insassen seine Diplomarbeit schreiben. Der real existierende Präsident taucht sodann in einem historisierenden Schwarzweißvideo auf, als er sich für seine Wahl bedankt. Die staatstragende Tätigkeit erscheint fast als Camouflage. Häufig durchstreift die Kamera die prunkvollen, aber menschenleeren Räume der Macht. Die Prager Burg als verführerisches, kaltes Labyrinth. Dazwischen alte Fotos: Havel in fröhlicher Kneipenrunde.

Hier im Gefängnis, so Havel, zeigten sich die Dinge in ihrer wahren Gestalt. Lüge und Heuchelei verschwänden. Man falle in süße geistige Ohnmacht.

Fila kam an Havel, der sich zunächst abschirmte, erst nach einem „zufälligen“ Treffen frühmorgens auf der Straße näher heran. Danach konnte er ihn fast wie einen Hausfreund auch in dessen behaglich ausstaffiertem Häuschen am Waldesrand beobachten, das seit den 60ern seine Enklave und konspirativer Treffpunkt „antiautoritärer Bewegungen“ war. Lächelnd erinnert sich Havel an groteske Aktionen seiner Aufpasser, die neben seinem Haus zwei Stützpunkte bauten.

Als er den Weg zu Freunden nicht fand, übernahmen seine genervten Verfolger schließlich die Führung. Sie auszutricksen macht Havel noch immer Spaß – auch wenn es nun seine eigenen Beamten und graue Eminenzen sind.

Es entsteht das poetische Panorama eines nüchternen Idealisten, der sich nicht als Phantast, sondern als Pragmatiker sieht – „Hoffnung ist eine Dimension des Geistes“.

Havel, der in Jerusalem einen Vortrag über „Franz Kafka und meine Präsidentschaft“ hielt, wünscht sich einen neuen Typ von Verantwortung in der Politik. Freiheit gelte nicht nur für die eigenen Bedürfnisse der Menschen; sie bedeute auch, „daß sie all das angeht, von dem sie behaupten, es gehe sie nicht an“. Dieter Deul