Kommentar
: Kommerzialisierte Weltmusik

■ Soundtrack fürs Benetton-Bewußtsein

Was hat Nusrat Fateh Ali Khan mit den Gipsy Kings zu tun? Was verbindet Salif Keita mit Astor Piazzolla? Was haben Taraf de Haidouks mit Samulnori gemeinsam? Eigentlich gar nichts. Doch seit einigen Jahren finden sie sich in Europas Plattenläden gemeinsam in einem Regal wieder: „Weltmusik“.

Was ursprünglich ein Begriff der Jazz-Avantgarde für interkulturelle musikalische Begegnungen und Experimente war, wurde in den achtziger Jahren zu einem Marketing-Etikett für „ethnische“ Klänge aus aller Welt gemacht. Ob die jeweilige Musik zum Gebet oder zum Tanzen ruft, ob sie Ausdruck politischen Widerstands, des Lebensgefühls einer kulturellen Minderheit oder der Propaganda eines Diktators ist – all das spielt keine Rolle mehr. Was zählt, ist der exotische Touch von asiatischen Tonleitern und afrikanischen Rhythmen. „Weltmusik“ – das ist der Multikulti-Soundtrack fürs globale Benetton-Bewußtsein.

Schon früh haben die Rock-Opas Paul Simon und Peter Gabriel den Trend aufgegriffen und ihren jeweiligen Produktionen südafrikanische Männerchöre und senegalesische Talking Drums beigemischt. Anschließend konnten sie sich als Wohltäter der Menschheit preisen und sich den Orden an die Brust heften, Ladysmith Black Mambazo oder Youssou N'Dour weltweit bekannt gemacht zu haben. Verdient haben aber vor allem die Meister aus England und den USA sowie die hinter ihnen stehenden Medienkonzerne.

Doch auch abseits des großen Popgeschäfts tummeln sich die Exotikverkäufer. In entfernten Regionen des Planeten jagen sie mit Mikrophonen durch den Busch, auf der Suche nach dem Unerhörten. Die Beute wird dem staunenden europäischen Publikum mit gebührendem Entdeckerstolz vorgeführt.

Musik, das ist vielleicht der letzte Rohstoff, den die Europäer aus der Dritten Welt importieren können. Für das gemeine Volk wird die schwere Kost mit Dancefloor-Beats versetzt und ins Drei-Minuten-Radioformat gegossen, für das feinsinnigere Publikum werden Authentizität und Ursprünglichkeit fremder Musikkulturen beschworen. Die Kontrolle über Auftrittsmöglichkeiten, Studioproduktionen und Plattenverträge bleibt in beiden Fällen meist in den Händen der europäischen „Entdecker“. Christoph Scheffer