Ein multikultureller Klangkörper

■ Das „Haus der Kulturen der Welt“ hat die Weltmusikszene populär gemacht

Kaum eine deutsche Institution bringt so viele Kulturen und künstlerische Ausdrucksformen aus fast allen Winkeln dieser Erde zusammen wie das in Berlin ansässige „Haus der Kulturen der Welt“. Ob es sich um große Ausstellungen, kleine oder riesige Konzerte, aus dem Rahmen fallende Musikabende, Vernissagen mit Tanzdarbietungen, Symposien und Literaturveranstaltungen handelt, immer weht ein Hauch von einnehmender Internationalität in der ehemaligen Berliner Kongreßhalle.

Vielen Kulturinteressierten gilt die „schwangere Auster“ im Tiergarten der deutschen Hauptstadt noch immer als Geheimtip. Seit sie vor drei Jahren nach einer langen erzwungenen Ruhepause einen radikalen Funktionswandel durchmachte – von der hochoffiziellen Empfangshalle für Politiker zum Kulturhaus –, ist sie aus dem Berliner Nachtleben nicht mehr wegzudenken. Insbesondere die Konzerte bekannter und unbekannter Musikgruppen aus den entferntesten Winkeln der Erde (gemeint sind in erster Linie außereuropäische Kulturen) sind regelmäßig ausverkauft und tragen zum einmalig guten Ruf dieser Institution bei.

Die Schar der Freunde und Liebhaber von „Weltmusik“, die sich zum Standbein des Kulturhauses entwickelt hat, wächst von Aufführung zu Aufführung. Die über 1.300 Veranstaltungen und Konzerte haben im vergangenen Jahr knapp über 265.000 Besucher aus mindestens hundert Ländern und Regionen angelockt. Die überwiegend aus der Dritten Welt stammenden Künstler machen Volksmusik ihrer jeweiligen Heimat. Doch es geht den meisten Weltmusikern, die in die ehemalige Berliner Kongreßhalle eingeladen werden, weniger um die Wahrung nationaler oder ethnischer Klangtraditionen, sondern viel eher um die Vermittlung eines Zusammengehörigkeits- und Solidaritätsgefühls in der Musik.

Manche von ihnen lassen sich von modernen Popelementen inspirieren oder pflegen bewußt Mißtöne, die sich zu einem faszinierenden experimentellen Klangteppich vereinigen. Sie sollen unsere eurozentristischen Ohren provozieren und unsere Gefühle direkt ansprechen. Da wir die meisten Sprachen dieser Völker nicht verstehen, wir also ohne den assoziativen Hintergrund einer Sprache auskommen müssen, erreicht „Weltmusik“ etwas, was der Verstand allein nicht bewerkstelligen könnte: physisch erlebbare Nähe zu einer Kultur. Konzerte im Haus der Kulturen der Welt sind insofern immer Unikate.

Entsprechend dem Geist einer bis in ihre kleinsten Straßenwinkel weltoffenen Metropole repräsentiert das „Haus der Kulturen der Welt“ den internationalen Geist in der bundesdeutschen Kunst- und Musikszene. Die Bundesregierung als Förderer der allseits gelobten Einrichtung schmückt sich gerne mit ihr, läßt sich ihr multikulturelles Vorzeigeprojekt aber immer weniger kosten. In diesem Jahr setzte der Rotstift gnadenloser an als in den Vorjahren. Resultat: Um über ein Drittel wurden die zur Verfügung stehenden Mittel gekürzt. Von den ursprünglich 3,5 Millionen Mark für die Kosten der Veranstaltungen sind 2,7 Millionen Mark geblieben. Gehälter und Gelder, die die Verwaltung des Hauses verschlingt, übernimmt das Land Berlin. Sie machen etwa sechs Millionen Mark aus.

Immerhin stiehlt sich das Auswärtige Amt bei der Finanzierung nicht gänzlich aus der Verantwortung. Schließlich wurde das Haus 1989 geschaffen, um dem Negativimage Deutschlands im Ausland mit dem Aufkeimen rechtsextremistischer Gewalttaten und den ersten Wahlerfolgen der rassistischen „Republikaner“ entgegenzutreten. Seht her, wir kümmern uns um andere Völker, wir lieben sogar ihre Kunst! Ungefähr so soll die Botschaft verstanden werden, die von Berlin aus der ganzen Welt vom toleranten wiedervereinten Deutschland künden soll. Daß das bei einer Regierung, die in ihrer Ausländer- und Asylpolitik das genaue Gegenteil verkörpert, tatsächlich gelingt, liegt allein am unermüdlichen Engagement der Mitarbeiter der Berliner Einrichtung.

Harald Jaehner vom Haus der Kulturen der Welt über die politischen Schwerpunkte der Programmgestaltung: „Die Botschaft, die sich insgesamt durchs Programm realisiert, ist natürlich durch den Nachdruck gegeben, den wir auf den Süd-Nord-Dialog legen.“ Ein roter Faden, der sich durch alle Veranstaltungen zieht.

„Wir versuchen da den Süd- Nord-Dialog nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Am besten gelingt es uns durch die Musik.“ Es gehöre, so Jaehner, zum Credo des Konzepts, daß „wir nicht bestimmen und darstellen, was wir in den anderen Kulturen sehen, sondern deren Vertreter so weit wie möglich an der Gestaltung der events beteiligen“. Es gehe darum, zwischen Nord und Süd ein synchrones Verhältnis in der Kunst herzustellen und gleichzeitig eine politische Maxime zu verwirklichen.

Nicht zuletzt, um diesem Anspruch gerecht zu werden, hilft das Haus der Kulturen der Welt vielen Gruppen, die zu Konzerten nach Berlin eingeladen werden, indem es ihnen die Herstellung einer ersten CD ermöglicht. Franco Foraci