„amnesty“ macht Druck auf China-Kohl

■ Menschenrechtsverletzungen in China soll der Kanzler anprangern

Berlin (taz/AFP) – Die Erwartungen der Wirtschaft an die am Sonntag beginnende einwöchige Chinareise von Bundeskanzler Helmut Kohl sind hoch: Aufträge sollen herangeschaufelt werden, zum Wohle der deutschen Wirtschaft. „Mit vollen Koffern“ werden der Kanzler und die 40 mit ihm reisenden hochrangigen Wirtschaftsvertreter heimkehren, lockte Chinas Ministerpräsident Li Peng bereits im Vorfeld und stellte Abschlüsse in Milliardenhöhe in Aussicht – jener Li Peng, der verantwortlich war für die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am Platz des Himmlischen Friedens 1989.

Hohe Erwartungen ganz anderer Art hat auch die Menschenrechtsorganisation „amnesty international“ (ai): Sie fordert von Kohl eine eindeutige Haltung zur Menschenrechtslage in China. Er soll auf ein Ende von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Massenhinrichtungen drängen. Viereinhalb Jahre nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung habe sich die Menschenrechtslage in China nicht wesentlich verändert, kritisierte der Generalsekretär der deutschen Sektion, Volkmar Deile, gestern in Bonn. Das Ausmaß von Menschenrechtsverletzungen in China sei weiterhin „erschreckend“. Tausende politische Gefangene seien in Gefängnissen und Umerziehungslagern inhaftiert, Folter und Mißhandlungen seien weit verbreitet. Zudem würden jedes Jahr mehrere tausend Menschen hingerichtet. Konkret hat ai dem Kanzler die Namen von 18 „gewaltlosen politischen Gefangenen“ übersandt und ihn gebeten, sich für deren sofortige Freilassung einzusetzen. Laut Deile gibt es keine konsequente Menschenrechtspolitik der Bundesregierung mit Bezug auf China, vielmehr haben bei bisherigen Besuchen politische und wirtschaftliche Interessen im Vordergrund gestanden.

Besonders besorgt ist ai über die Situation in Tibet. In der autonomen Region wurden seit dem Wiederaufleben der Unabhängigkeitsbewegung 1987 mehr als 1.000 Menschen verhaftet, die friedlich für Tibets Unabhängigkeit gekämpft haben, so ai. Die Organisation weiß von mehr als 100 Festnahmen allein während der Monate April bis Juli 1993. Die „Tibet Initiative Deutschland“ sprach von einer „moralischen Pflicht des Kanzlers, auf die uneingeschränkte Einhaltung der Menschenrechte in Tibet und China zu drängen.“ Der SPD-Politiker Norbert Gansel warf Kohl vor, mit seinem Besuch Chinas Machthaber aufzuwerten. Des Kanzlers Gespräche mit den chinesischen Regierungsvertretern dienten in erster Linie den Pekinger Machthabern, nicht aber den Angehörigen der demokratischen Opposition. miß