Blutspender müssen zweimal zum Aids-Test

■ Seehofer kündigt schärfere Kontrollen für Blutprodukte an / Quarantänelagerung für Blutplasma ab Januar / Absage an namentliche Meldepflicht für HIV-Infizierte

Bonn (dpa/AP/taz) – Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) will mit schärferen Kontrollen die Sicherheit von Blutpräparaten erhöhen und das Risiko von HIV-Infektionen verringern. Dazu kündigte er gestern ein Bündel von Maßnahmen an. Die Länder hätten zugesagt, ab sofort die Kontrollen der Herstellungsverfahren zu verstärken.

Das Gesundheitsministerium will ab 1. Januar 1994 das seit langem diskutierte Quarantäneverfahren für solche Blutpräparate vorschreiben, bei denen Aids-Viren nicht unschädlich gemacht werden können. Eine Quarantänelagerung ist nur für Plasma, nicht aber für die nur kurze Zeit haltbaren roten Blutkörperchen möglich. Das Spenderblut wird gelagert, bis eine zweite Probe desselben Spenders vorliegt und getestet ist. Da möglicherweise nicht jeder freiwillige Blutspender zum zweiten Aids-Test erscheint, müßten nach Ansicht von Experten allerdings zwanzig bis vierzig Prozent der Blutspenden vernichtet werden.

Das Gesundheitsministerium wird außerdem die schärfere Prüfung von Arzneimittelchargen, die bisher schon für Impfstoffe und Sera gilt, auf Blutprodukte mit Gerinnungsfaktoren oder Humanalbumin ausdehnen. Das bedeutet, daß künftig aus jeder Produktionseinheit eine Stichprobe von Behörden geprüft wird, ehe sie in Umlauf gebracht werden darf. Diese Verordnung gilt aber nicht für Blutspenden und Transfusionsplasma. Sie soll in zwei Stufen ab 1.Juli 1994 in Kraft treten. Ob die Prüfung dem Bundesamt für Sera und Impfstoffe (Paul-Ehrlich-Institut) übertragen werde, hänge von der Neuorganisation der sechs Institute des bisherigen Bundesgesundheitsamtes in Berlin ab. Diese Überlegungen sollen in etwa einem Monat abgeschlossen sein, sagte Seehofer.

Die Ärzteschaft wurde von Seehofer aufgefordert, die Verwendung von Blut und Blutprodukten „auf ein medizinisch notwendiges Maß zu beschränken“. Die Bundesrepublik habe im internationalen Vergleich „einen überhöhten Verbrauch an Blut und Blutprodukten“. Darüber sei schon in den 80er Jahren gestritten worden. Der vor einem Jahr geäußerten Bitte des Bundesgesundheitsministeriums, den Therapiestandard bei der Behandlung mit Blutprodukten zu überprüfen, schiene die Bundesärztekammer erst jetzt nachzukommen. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums kritisierte gegenüber der taz, daß Ärztevertreter es bis vor kurzem wegen des „unzumutbaren bürokratischen Aufwands“ abgelehnt hätten, die Verabreichung von Blutprodukten mit Angabe von Hersteller und Chargennummer in der Krankenakte zu dokumentieren. Nur so läßt sich aber später noch rückverfolgen, welcher Patient mit welchem Mittel behandelt wurde. Dies ist auch für Schadensersatzansprüche wichtig. Wie der Sprecher weiter mitteilte, hätten die Ärzteverbände ihre Mitglieder erst kürzlich zu einer lückenlosen Dokumentation angewiesen.

Bereits gestern hatte Seehofer gegenüber dem Nationalen Aids- Beirat erklärt, daß eine namentliche Meldepflicht für HIV-Infizierte und Zwangstests nicht zur Debatte stehen.

Der rheinland-pfälzische Landtag hat gestern einstimmig einen Untersuchungsausschuß eingesetzt. Er soll Versäumnisse der Behörden im Zusammenhang mit der Koblenzer Firma UB Plasma aufklären, die Blutspenden unzureichend auf HIV getestet hatte.