Kohl und SPD im gleichen Zug

■ Bund und Länder einigten sich gestern nach mehrstündigem Tauziehen über die Bahnreform / Bahnen künftig als Aktiengesellschaft / Auch Finanzierung des Personennahverkehrs geklärt

Berlin (taz) – Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder haben sich gestern abend nach dreistündigen Verhandlungen auf die Grundzüge der Bahnreform geeinigt. Danach können Bundesbahn und Reichsbahn ab dem 1. Januar 1994 in einer Aktiengesellschaft aufgehen. Die notwendigen Grundgesetzänderungen sollen auf einer Sitzung des Bundesrates Mitte Dezember abgesegnet werden.

Bis zuletzt war vor allem um die Kosten der Regionalisierung der Bahnen gefeilscht worden. Am Nachmittag hatten sich die Delegationen von Bund und Ländern zeitweise sogar getrennt zu Beratungen zurückgezogen. Die Länder hatten vom Bund 14 Milliarden Mark pro Jahr verlangt, um die neue regionale Bahnstruktur zu unterstützen. Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) hatte in den vergangenen Monaten zunächst acht Milliarden Mark angeboten und diese später durch mehrere Umschichtungen aufgestockt.

Unter anderem wollte Wissmann künftig 1,5 Milliarden Mark im Jahr aus demBahninvestitionstopf spezifisch für die regionalen Bahnen umwidmen. Zusätzlich hatte der Minister angeboten, den Milliardensegen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes über 1994 hinaus zu verlängern. Den Ländern stünden dann ab 1995 weiter 6,25 Milliarden Mark im Jahr statt bislang geplanter 3,25 Milliarden Mark zur Verfügung. Das Angebot war mit Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) abgestimmt, hieß es gestern im Verkehrsressort.

Während die Notwendigkeit einer Bahnreform gestern weitgehend unstrittig war, kritisierten die Umweltverbände noch einmal massiv die ihrer Ansicht nach mangelhafte finanzielle Ausstattung. Mit dem angebotenen Geld könne nicht einmal der bestehende Nahverkehr der Bahn aufrechterhalten werden. „Das Gemeindefinanzierungsgesetz hat als Finanzierungsinstrument erhebliche Nachteile. Es dient nur zur Kofinanzierung. Wo kein Geld bei der Gemeinde vorhanden ist, gibt es auch kein Geld aus Bonn“, sorgt sich beispielsweise Arne Lüers vom Öko-Institut. Das führe dann dazu, daß auf dem Lande, wo die Kommunen über keine großen Verkehrsetats verfügten, künftig kein Geld für regionalen Bahnverkehr ausgegeben werde.

Als Gründe für die eilige Bahnreform waren in den vergangenen Wochen neben dem rasant wachsenden Schuldenberg (Ende 1993 geschätzt 67 Milliarden Mark) das schwierige Wahljahr 1994 und eine ohne schnelle Reform notwendige Verbeamtung vieler Reichsbahner genannt worden. Der deutsch-deutsche Einigungsvertrag sieht vor, daß Beschäftigte, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, den Beamtenstatus erhalten müssen. Von den West- Bahnbeschäftigten sind rund 120.000 MitarbeiterInnen, 60 Prozent der Belegschaft, deshalb verbeamtet. ten