Den Abriß gibt's auf Antrag

■ Am Kuhberg in der Neustadt: Wohnungen stehen seit Jahren leer. Nebenan fürchten die Mieter den Abriß     Von Sannah Koch

Stadtentwicklung der Marke Hamburg: eine Baubehörde, die sich mit ihren Wohnungsneubauprogrammen brüstet, eine Stadtentwicklungsbehörde, die sich in immer neuen Wettbewerben und Bürgerbeteiligungsverfahren überbietet – und ein Bezirksamt, das trotz der bedrohlichen Wohnungsnot seit Jahren sieben Wohnungen leerstehen und fünf Häuser verrotten läßt. So geschehen am Kuhberg in der südlichen Neustadt: Seit 1987 kämpfen die BewohnerInnen der Häuser 4, 5 und 8a-c für den Erhalt der zwischen 1878 und 1914 erbauten Gebäude. Ihr Schriftverkehr mit den Bezirksgremien füllt bereits Aktenorder. Doch jetzt scheint alles vergebens: Nach Aussage des Hausverwalters will das Bezirksamt-Mitte nun offensichtlich dem Vorbescheid für einen Teilabriß der Häuser zustimmen.

Die Untätigkeit des Bezirksamtes kam der Eigentümerin, der „Reimers Testament Familienstiftung“, augenscheinlich sehr zugute: Schon im Juni 1989 hatte diese im Bezirksamt einen Antrag auf Abriß des Kuhbergs 8 (der „Reimersburg“) und den Teilabriß des Gebäudes 4 gestellt. Mit Hinweis auf den geplanten Abbruch hatte die Stiftung sogar schon Anfang 1987 damit begonnen, den MieterInnen nur noch befristete Mietverträge anzubieten. Doch damals mochte der Bezirk sich noch nicht von den alten Häusern trennen: Ende 1990 lehnte der Bauausschuß den Abrißantrag ab und legte der Stiftung statt dessen die Instandsetzung nahe.

„Viel wurde trotzdem nicht an den Häusern gemacht – einiges nur, nachdem die Bewohner es gerichtlich durchgesetzt haben,“ berichtet Thomas Johannsen von der Mieterinintiative. Und auch gegen den von ihnen regelmäßig angemahnten Leerstand schritt das Bezirksamt nicht ein. Im Gegenteil: Mittlerweile stehen bereits neun Wohnungen leer.

Jetzt sorgt ein neues Schreiben der Hausverwaltung wieder für neue Unruhe: Darin wurde den BewohnerInnen der Reimersburg eine Verlängerung ihres befristeten Mietvertrages bis zum 30. Juni 1994 angeboten. Begründung: Das Bezirksamt-Mitte habe mitteilen lassen, daß der von ihnen eingereichte Vorbescheid positiv entschieden werde. Im Nachbarhaus darf hingegen bis Ende Dezember '94 gewohnt werden: Hier fehlt immer noch die behördliche Genehmigung für die Instandsetzung.

Verarscht fühlt sich die Mieterinitiative auch, weil ihr im Rahmen ihrer Beteiligung am Wettbewerb der Stadtentwicklungsbehörde „Arbeiten und Wohnen in der südlichen Neustadt“ von Behörden- und Eigentümerseite Gespräche über Alternativen zum Abriß zugesichert worden waren. Stadtentwicklung Marke Hamburg eben.