Nur mal kurz die Füße hochlegen...

■ Loriot feierte 70. Geburtstag bei Radio Bremen und im TV-Hotel “Wachtelhof“

Altmodische Worte wie „Vestibül“, „Lounge“ und „Fauteuil“ liegen in der Luft, die Limousinentüren schließen sich mit schmatzendem Geräusch, festlich gewandete Herrschaften strömen in kunstvoll choreographierter Unübersichtlichkeit durch die Empfangsräume des Hotels: Sämtliche Zeichen stehen auf „würdevolles Benehmen aus Anlaß einer Feier in großem Stil“. Doch da kann nur der Wurm drin sein, denn wer im „Hotel Wachtelhof“ als Jubilar gefeiert wird, ist Loriot, der Mann, der wie kein anderer den würdevollen Ernst im unentwegten Kampf gegen die Tücken der Blamage zu inszenieren weiß.

Da kommt er auch schon um die Ecke, der Jubilar – noch sind die Gäste nüchtern, sie werden später derangiert und trunken sein –, und hat nur einen Wunsch: „die Füße hochlegen, ein paar Minuten.“ Das wird ihm schlecht bekommen, denn Ruhe ist ihm nicht vergönnt: Ein Kellner (Loriot) wird ihm mit schmieriger Vertraulichkeit sein gebrechliches Alter vor Augen halten; die keusche Jugendliebe von 1946 (Rosemarie Fendel) wird ihn mit prüdem Altersenthusiasmus belästigen; er wird sich mit einer Zeichnung ins Gästebuch blamieren; man wird ihn gar als Mörder bezichtigen; und nicht einmal beim Fernsehen kann er sich entspannen: Da nämlich werden auf allen Kanälen Sketche „des Herrn, äh..., ja...“ aus Anlaß seines Siebzigsten gezeigt.

Bekanntes also, an dem man sich nie sattsieht, ist in die Geburtstagsfeier-Rahmenhandlung eingebettet. Und wer, wenn nicht Loriot, könnte sich selbst viel besser feiern als all die Lobhudler zusammen, die sich am letzten Freitag ihm zu Ehren im deutschen Feuilleton ergingen? Loriot, dem man – als größtes Kompliment – den „typisch englischen Humor“ nachsagt, obwohl gerade dies ja nicht erklärt, warum er so erfolgreich ist beim deutschen Publikum, dem die Experten des „englischen Humors“ beharrlich Humorlosigkeit bescheinigen. Loriot, der zum „Geheimtip“ für Intellektuelle taugen würde, der aber leider quer durch soziale Schichten Erfolg genießt und deshalb die Kulturjournalisten stets zu der bangen Frage zwingt: ist er ein Opportunist, der eben keinem weh tut?

Nein, weh tut er nicht – und warum sollte er? Das Lachen, das Loriot erzeugt, bleibt keineswegs – wie es die Masochistenfloskel des kritischen Humorexperten will – „im Halse stecken“. Der Blick von Loriot auf Durchschnittsmenschen, auf Alltagssituationen in Ehe, Familie, Beruf – und eben auf seine eigene Geburtstagsfeier im Hotel – ist ja der Blick des Humoristen, der das „im Halse Steckende“ befreit. Wo, wenn nicht bei Loriot, lacht man mit solchem Hochgenuß über die ganz normale Idiotie des menschlichen Bemühens?

Sybille Simon-Zülch