: Wir träumen ihr Lachen
■ “Red, Yellow and Blue“: Das Theater Lubricat über das Sterben an AIDS
Wenn geliebte Menschen sterben, träumen wir ihre Stimmen. Und manchmal sogar ihr Lachen. So sind wir wenigstens nachts zusammen mit unseren toten Geliebten, mit unserem toten Kind. Von solcher Trauer, und wie wir mit ihr leben, handelt das neue Theaterstück der Gruppe Lubricat „Red, Blue and Yellow – if you were still around...“ Auf dem Gelände des Krankenhauses Ost, im „Haus im Park“, erlebte die Kampnagel-Produktion am Samstag abend eine unverdient schlecht besuchte Bremer Premiere.
Rot, blau und gelb – wenn es dich noch gäbe, würde meine Welt bunter leuchten. So möchte man den Titel des Stücks unwillkürlich weiterführen. Denn ein junger Mann, Uwe, ist an AIDS gestorben – und auf der Bühnenwelt seiner Hinterbliebenen, seines Vaters und seines Geliebten, deren Worte in einer Person (Armin Dallapiccola) verschwimmen, kommen blau und gelb nicht mehr vor. Doch das bleierne Grau, in das der Vater gekleidet ist, legt sich nur selten wie ein schwerer Schleier über den Zuschauerraum. Nur manchmal ergreift Traurigkeit das Publikum – wahrscheinlich, weil es an die eigenen Toten denkt. Und an die eigene Hilflosigkeit dabei. Und den Vater bewundert, der auf der Bühne so schonungslos offen über seine Gefühle berichtet.
Rot ist der Bühnenhintergrund, ausgestattet mit medizinischen Leuchttafeln, vor dem sich der Rückblick auf ein kurzes Leben und eine kurze Beziehung im 8o Minuten-Raffer abspielt. Rot – und voll warmen Gefühls für den Toten, den es wirklich gegeben hat. Das Drehbuch des Stückes basiert auf Gesprächen mit den Angehörigen eines an AIDS gestorbenen Freundes und Kollegen der Gruppe.
So einfühlsam, wie der Autor Dirk Cieslak mit der Erinnerung der Hinterbliebenen umgeht, so behutsam führt er uns ZuschauerInnen in das Leben mit der Erinnerung an das Sterben ein. Da tanzt zu den Worten des grauen Vaters eine grün gekleidete Frauengestalt (Sygun Schenck). Wie ein Geigerzähler hämmert sie mit dem Fuß einen rasenden Herzschlag. Oder zittert am ganzen Leib, wie der Vater wohl innerlich – aber das bleibt unserer Assoziation überlassen. Nur selten bewegt sie sich so eindeutig zum Text, wie beim „Let's fall in Love“ wo sie mit den Armen geschwungene Herzen in die Luft zeichnet. Und macht, daß wir erleichtert lachen, weil wir einen Moment lang die Fröhlichkeit spüren, die vor dem Tod war. Und die als Andenken bewahrt werden will.
Die Musik ist das dritte Element im Stück über die Trauer und die Arbeit daran. Die Liedtexte bekannter Jazztitel, live mit Saxophon und Klavier (Matthias Botsch) begleitet, werfen uns hin und her. An den richtigen Stellen unterbrechen sie die Erinnerungen des Vaters. Mal schwermütig, mal beschwingt bieten sie auch dem Publikum Raum zur Nachdenklichkeit, ohne die die Traurigkeit des Stücks wohl schwer zu ertragen wäre. Aus der herzlichen Leichtigkeit der Erinnerung des Geliebten stürzen wir mit der nächsten Melodie ab in seine Traurigkeit über den Tod. „I still hear your voice at night when I turn out the light...“ singt die Sängerin (Sylvia Kesselheim) auf der Bühne. Und unwillkürlich meldet sich die Melancholie: Weil die Angehörigen die Stimme des Geliebten nur noch träumen können. Aber dann betrachten wir sie und wünschen uns, das auch zu können. Denn ihnen hat es Kraft gegeben, das hat das Stück gezeigt.
Eva Rhode
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