Kein Neonazi-Aufmarsch in Halbe

■ Das „Heldengedenken“ im brandenburgischen Halbe endete für mehr als 140 Neonazis im Polizeigewahrsam / Massives Polizeiaufgebot und Kontrollen

Halbe (taz) – Statistik kann ausgeglichener kaum sein: Jedem der Einwohner im brandenburgischen Kleinstädtchen Halbe stand gestern rein rechnerisch ein Polizist gegenüber. Allein im Bereich des Potsdamer Polizeipräsidiums waren an die 1.500 Beamte eingesetzt, die das Verbot rechtsextremistischer Kundgebungen am und um den Soldatenfriedhof in Halbe durchsetzten. Wie schon im letzten Jahr sollte die massive Polizeipräsenz rechte Aufmärsche verhindern – „ein Fulda wird es hier nicht geben“, hatte am Mittag Potsdams Polizeipräsident von Schwerin bei einer improvisierten Pressekonferenz zum besten gegeben. Auch ein Ausweichen der Rechtsradikalen auf andere Ortschaften, wie zuletzt im hessischen Fulda, sollte unterbunden werden. Das Konzept war erfolgreich.

1990 und 1991 war die 1.500-Seelen-Gemeinde rund 40 Kilometer südlich von Berlin am Vokstrauertag Schauplatz rechtsradikaler „Heldengedenkfeiern“. Gestern stand der Ort ganz im Zeichen novemberlich-naßkalten Wetters, mit leergefegten Straßen und mäßig besuchten Gaststätten. An allen Zufahrtswegen hatte die Brandenburger Polizei, unterstützt durch Bundesgrenzschutz und die Schutzpolizeien anderer Bundesländer, Kontrollstellen errichtet. Die Autobahnausfahrt Halbe war gesperrt. Die angekündigten Konvois rechtsradikaler Demonstranten aus der ganzen Bundesrepublik wurden aber auch schon in den angrenzenden Budesländern unter die Lupe genommen. So meldete Sachsen-Anhalt am Nachmittag die vorläufige Festnahme von 35 Personen in Genthin, deren Zugehörigkeit zum rechtsextremen Spektrum unter anderem aus einer „Reichskriegsflagge“ abgeleitet wurde. Für vier Jugendliche, die bereits am Vorabend nach Halbe gefahren waren und in ihrem Wagen übernachtet hatten, endete die geplante Heldenfeier ebenfalls im Polizeigewahrsam. Bei ihnen wurde Propagandamaterial der DVU sichergestellt. In der Nähe von Halbe wurden bei Massow sechs, in Hornow vier weitere Personen festgenommen.

Polizei und Verfassungsschutz hatten ein großangelegtes Katz- und-Maus-Spiel befürchtet. Sie hatten Hinweise dafür, daß sich die verschiedenen Gruppen und Grüppchen ohne genaues Ziel auf den Weg nach Brandenburg begeben würden, um sich dann vor Ort über Funktelefone kurzfristig auf einen gemeinsamen Aufmarschort zu verständigen. Eine gezielte Koordination konnte der Potsdamer Verfassungsschutz gestern zwar nicht beobachten, entsprechende Vorbereitungen dafür wurden aber deutlich. 86 Neonazis wurden auf dem Weg nach Brandenburg bei Straßenkontrollen im östlichen Ruhrgebiet und in Ostwestfalen vorläufig festgenommen, unter ihnen der Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der neonazistischen FAP, Siegfried Borchardt. Die Polizei stellte Gaspistolen, Eisenstangen und Propagandamaterial sicher, sämtliche Fahrzeuge waren entweder mit Mobiltelefon oder CB- Funk ausgerüstet.

Im Gasthof „Zum Krug“, wo halb Halbe halbe Helle hebt, streckte am Volkstrauertag letzten Jahres noch eine kleine Adolf-Hitler-Statue aus einer Vitrine heraus den Gästen den Arm entgegen. Der Adolf wurde inzwischen entfernt – kleine Dinosaurier haben ihn ersetzt. Wolfgang Gast