Das Blödeltum und die Kunst

■ Darf man sagen, daß Künstler Steuergelder verschleudern? Eine kleine Besinnung zum Rembertigeplänkel

Eine feste Burg ist unser Kunstbegriff. Immer mal wieder rennen die Volksmassen dagegen an und lärmen herum von wegen Geldverschwendung; und jedesmal müssen sie umkehren mit schwerem Kopfsausen, denn hinter den Schießscharten des Kunstbegriffs hausen Tag und Nacht die Künstler und passen auf.

Kaum sagt einer, auf dem Rembertikreisel habe er bloß dummes Zeug gesehen, Kartoffelsäcke mit Steinen drin, eine rote Säule irgendwo, kaum sagt einer sowas, stehen alle Künstler auf den Zinnen des Kunstbegriffs und verwahren sich. Um Kunst handle es sich, da es doch Künstler gemacht haben, und Künstler seien es, da sie doch sagen, es sei Kunst, was sie gemacht haben: Dieser Kunstbegriff wird allerdings mit jedem Tag seines Wirken immer noch langweiliger und unerträglicher, und man sieht es der Kunst an, die in seinem Schutz gedeiht.

Es war ja wirklich nur dummes Zeug auf dem Rembertikreisel zu sehen; es steht ja wirklich nur eine dumme gelbe Stange an der Teerhofbrücke; es flunkert ja wirklich nur eine dumme grüne Discolasershow im Abendhimmel überm Kongreßzentrum herum; aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, daß die ganze Kunst vertrottelt, wenn sie sich nicht dreinreden läßt, sobald einmal ihre Sache, nämlich das Werk, getan ist.

Solange gearbeitet wird, geht's keinen was an, aber was fertig ist, verfällt dem Auftraggeber, nämlich dem Souverän; und dieser soll ruhig im Rahmen seiner Möglichkeiten befinden, was Kunst sei und was nur Schrott und Triefsinn und Blödeltum. Das ist seine Sache und die Sache der Nachwelt; wer sich ungerecht behandelt fühlt, möge um beide kämpfen. Die heutige Kunstszene aber hat sich, unter Verzicht auf eine Mitwelt, ihre Nachwelt schon zu Lebzeiten eingerichtet; sie besteht aus Leuten, die zuverlässig beleidigt sind, sobald ein Fachfremder das maul auftut.

Dabei kann es der Kunst nur gut tun, wenn schärfstens und breitestens über ihre Qualität debattiert wird. Daß es außerhalb der Zirkel kaum mehr passiert, ist schon der Anfang vom Ende. Den Volksmassen bleiben ja, wo sie nicht mitreden dürfen, nur die gewalttätigen Argumente. Die Zeitungsleser drohen mit Abokündigung, und die Kunstfernen protestieren gegen die Verschwendung von Steuergeldern. Gemeinsam ist ihnen, daß sie's gar nicht so gemeint haben, sobald man sie ernst nimmt.

Die Kunst aber nimmt übel und verläßt sich umso hartnäckiger auf die Mauern des Kunstbegriffs. Draußen aber gehen die Faschisten um und sagen den Leuten, was man ihnen vorenthalte, sei abstoßend und häßlich. Manfred Dworschak