■ Satanskult und Exorzismus in Nicaragua
: „Ein großes Feuer im ganzen Körper“

Managua (taz) – Junge Mütter in der Stadt Leon und Umgebung leben in Terror und eilen zur Wiege ihrer Neugeborenen, wenn sie um Mitternacht die Hunde heulen hören. Seit dem mysteriösen Tod mehrerer Jugendlicher, die in einem Strandhaus schwarze Messen gefeiert haben sollen, fürchten sie um ihre Jüngsten. Denn nach Ermittlungen der Polizei haben die Jugendlichen einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und müssen ihm ein ungetauftes Baby opfern.

Die Polizei ermittelt gegen eine Gruppe von Studenten der La-Salle-Schule in Leon, die nächtens in einem Haus am nahegelegenen Strand von Poneloya regelmäßig spiritistische Seancen abhielten. Während ihre Kontakte mit den Kräften des Jenseits sollen sie Alkohol, Marihuana und Kokain zu sich genommen haben. Die Behöerden fahnden nach dem 20jährigen William Shandall, der die Jugendlichen zu Drogenkonsum und Satanskult verführt haben soll. Laut Aussagen von Polzeihauptmann Cesar Augusto Diaz hätten die Schüler versucht, aus dem Krankenhaus von Leon ein ungetauftes Neugeborenes zu rauben, um es dem Fürst der Finsternis darzubieten. Sollte das Opfer unterbleiben, so drohte der Bocksbeinige, würden die Teilnehmer an der Seance der Reihe nach ums Leben kommen. Nachdem der Kindesraub an der Aufmerksamkeit der Nachtwächter scheiterte, begann eine Serie geheimnisumwitterter Todesfälle unter den Mitgliedern des Satanspaktes, die den wildesten Gerüchten und Spekulationen Auftrieb gab. Innerhalb weniger Monate ertrank David Martinez im Meer, hängte sich Gerardo Berrios auf, jagte sich Douglas Buschting beim Russischen Roulette eine Kugel durch den Kopf, starb Benito Delgado bei einem Autounfall und erlag Edgar Vallecillo einer ungewöhnlichen Form von Leukämie.

Während lokale Medien die Berichte von den schwarzen Messen phantasiereich ausschmücken und täglich neue Details nachliefern, haben der Direktor der katholischen La-Salle-Schule und die anderen Ordensbrüder weltlichere Erklärungen für den Spuk. Drogenkonsum, Alkohol und die Probleme der Transkulturation der jungen Leute, die erst vor kurzem aus den USA nach Nicaragua zurückgekommen sind, seien für die seltsamen Feiern am Strand verantwortlich. Statt die Ursachen für die schwarzen Messen in der Schule zu suchen, sollte man fragen, was die Schüler in den 19 Stunden machen, die sie außerhalb der Lehranstalt verbringen. Wie auch immer: Teufelsaustreibung scheint derzeit Konjunktur zu haben in Nicaragua, wo die verheerende Wirtschaftskrise, die Nachwirkungen eines zehn Jahre langen Bürgerkrieges und der Verlust von Werten wie Solidarität und Glauben an ein gemeinsames Projekt immer mehr Menschen in die Verzweiflung treiben. In El Colorado bei El Rama, 300 km östlich von Managua, wurde letzte Woche der Pastor einer evangelischen Sekte festgenommen, nachdem er seinem Glaubensbruder Javier Orozco den Dämon mit dem Messer aus der Brust schneiden wollte. Orozco überlebte den Eingriff nicht. Was mit dem Dämon passiert ist, wurde nicht berichtet. Und in Granada versucht sich der Priester Orlando Calero seit einigen Tagen als Exorzist. Seine Patientin ist eine 40jährige Frau, die berichtet, sie würde seit vier Jahren regelmäßig vom Satan beschlafen: „Ich fühle ein großes Feuer im ganzen Körper, in meinen Geschlechtsteilen, als ob ich von einem Tier besessen wäre.“ Pater Calero, der dem Bösen erstmals von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, hat die Genehmigung seines Bischofs bekommen, um dem Beelzebub mit Weihwasser und Kruzifix zu Leibe zu rücken. Ralf Leonhard