Fische wichtiger als Autos

■ Schwedischer „Wassergerichtshof“ stellt kaum erreichbare Bedingungen für Bau der Brücke nach Dänemark

Stockholm (taz) – Nur wenn die Tiere in der Ostsee keinerlei Schaden nehmen, ist der geplanten Brückenbau über den Öresund zwischen Schweden und Dänemark umweltpolitisch verantwortbar. So urteilte gestern der schwedische „Vattendomstol“, der Wassergerichtshof. Damit hat die letzte der von der Regierung in Stockholm angerufenen Prüfungsinstitutionen ihr Votum zum Brückenschlag abgegeben. Ein Ja, das in seinen Auswirkungen mehr einem Nein nahekommt. Denn eine solche „Nullösung“ ist nach Meinung der meisten in den Anhörungen der letzten Monate ratgebend herangezogenen UmweltforscherInnen eine absolute Illusion. Bereits im Februar hatte der „Koncessionsnämden“, eine Art Umweltgerichtshof, klar nein zum Brückenbau gesagt.

Der nordeuropäische Brückenschlag des Jahrhunderts, über den ab Anfang des nächsten Jahrtausends Autos und Züge rollen sollten, wurde von den Sozialdemokraten 1991 fast handstreichartig im Reichstag durchgesetzt. Keine einzige Umweltkonsequenzenanalyse hatte damals vorgelegen. Nachgeholt wurde dies von der bürgerlichen Regierung Carl Bildt: Das grüne Zentrum hatte seine Regierungsbeteiligung davon abhängig gemacht, daß die Umweltprüfungen nachgeholt würden.

Wenn das dänisch-schwedische Konsortium, das hinter dem Brückenbau steht, auch hoch und heilig versprochen hat, eine solche „Nullösung“ sei durchführbar, gibt es doch tatsächlich nicht einmal durchkalkulierte Modellrechnungen, die diese Behauptungen decken würden. Etwa 50 Prozent der gesamten Wasserein- und -ausströme in und auch aus der Ostsee fließen durch den gerade zehn Kilometer breiten Öresund. Nur durch die dänische Belte und den Öresund wird dem Fast-Binnenmeer frisches, salziges und sauerstoffreiches Meerwasser zugeführt. Theoretisch würden zwar nur 1,5 Prozent des üblichen Wasserdurchlaufs durch die Pfeiler und Rampen der Brücke gehindert. Doch auch dies wäre nach Meinung des „Vattendomstol“ nicht hinzunehmen: Bereits ein um ein einziges Prozent geminderter Wasserdurchfluß könne weite Teile der Ostsee umkippen lassen. Viele MeeresforscherInnen aber halten auch die 1,5-Prozent-Rechnung für falsch: aufgrund spezieller Strömungs- und Sogbildungen könnte in Wirklichkeit durch die Brücke eine regelrechte Sperre entstehen, die fünf bis zehn Prozent des üblichen Wasserdurchlaufs stoppe.

Die Fische, die es in der Ostsee noch gibt, werden bereits durch viel geringere Veränderungen bedroht: Der Dorsch legt seine Eier in bestimmten Meeresgebieten ab, in denen das spezifische Gewicht des Wassers denen der Eier entspricht und diese schweben läßt. Dazu ist ein Salzgehalt von etwa zehn Promille erforderlich. Wird in der intensiven Brückenbauphase auch nur – wie unvermeidbar – fünf bis sechs Jahre der Salzwassereinfluß gestört, wird der Ostseedorsch endgültig ausgestorben sein. Ähnliches gilt für die Rügenheringe, die durch den Öresund in die Ostsee ziehen und für Aale, die sogar einen zentralen Sammelplatz im Öresund haben.

Es geht also nicht darum, daß einige Seehunde und Schwäne während der Bauzeit einige hundert Meter umziehen müssen, wie dies treuherzig ein Vertreter des Brückenkonsortiums darstellte, sondern, so Nils Rilander vom Verband der Berufsfischer, um „das endgültige Ende der Berufsfischerei in der gesamten Ostsee“. Reinhard Wolff