Gier nach Genpatenten

USA wollen EG-Patent auf Indianerblut / Grüne fordern Kontrolle der EG-Forschungsmittel  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Das amerikanische Handelsministerium hat beim Europäischen Patentamt in München beantragt, der in den USA unter der Nummer US-9108455 registrierten Erfindung des Mr. Michael D. Lairmore auch den europäischen Patentschutz gewähren. Aber US-9108455 ist gar keine Erfindung, sondern eine Zell-Linie, gewonnen aus dem Blut einer 26jährigen Indiofrau aus Panama. Die Zellen enthalten ein seltenes Virus, das dem Aids-Virus sehr ähnlich ist. Und sie enthalten auch Antikörper gegen dieses Virus, von denen sich nicht nur Michael Lairmore viel verspricht.

Isidaro Acosta Galindo ist Präsident des Kongresses der Guaymi-Indianer in Panama und tourt seit Monaten um die Welt, um dagegen zu protestieren, daß die Zellstruktur seiner Leute wie eine Chemikalie patentiert wird. „Man hat uns nicht gefragt“, sagt er, „man hat uns nichts gesagt, und wir wissen nicht, was in den Labors mit unseren Zellen gemacht wird.“

Irgendwann 1987 kamen panamesische Ärzte und nahmen erst einzelnen, später fast allen Guaymi-Indianern Blut, Haarwurzeln und Gewebeproben ab. Für Heilzwecke, hieß es. Aber wie sich inzwischen herausstellte, ging es wohl von Beginn an um Forschungszwecke. Die Guaymi-Indianer sind unter Ethnologen, Anthroplogen und Biologen seit jeher ein gefragtes Studienobjekt, weil in ihren Familien einige Krankheiten, aber auch Widerstandskräfte verbreitet sind, die sehr selten sind.

Die Guaymi gehörten deshalb auch zu den ersten Stämmen, die in das Netz des „Human Genome Diversity Projects“ gerieten. Mit diesem Projekt versuchen amerikanische und europäische Wissenschaftler, die Welt unter ethnologischen Gesichtspunkten zu kartographieren. Sie wollen anhand der Erbsubstanz die Eigenheiten und Unterschiede aller auf der Erde lebenden Bevölkerungsgruppen erforschen. 25 Millionen Mark sind für das ehrgeizige Unternehmen veranschlagt, und bei der EG in Brüssel liegt auch schon ein Antrag auf finanzielle Beteiligung.

Schon 722 gefährdete Minderheiten untersucht

Um der Vollständigkeit der Gen- Sammlung möglichst nahe zu kommen, wurde schon vor dem offiziellen Projektbeginn mit der Untersucheng der vom Aussterben bedrohten Völker begonnen. In einer Genbank der „American Type Culture Collection“ in Rockville, Maryland, lagern bereits die Blut- und Haarproben von 722 gefährdeten Minderheiten, darunter auch die der Guaymi-Indianer.

Anfangs geißelten die Kritiker des Human Genome Diversity Projects (HGD) vor allem das rassistische Potential, das in der wissenschaftlichen Suche nach „ethnischen Gemeinschaften“ steckt. Inzwischen hat sich das Problemfeld etwas verschoben. Die empfindlichsten Vorwürfe kommen aus den eigenen Reihen. Ein Teil der Wissenschaftler, klagt der Schweizer Anthropologe Andre Langaney, habe plötzlich auch das Mandat eines Chemiekonzerns in der Tasche und rede nur noch vom Recht auf Patente.

Für die Pharmaindustrie ist das HGD eine Art Rasterfahndung nach genetischen Immunstoffen. Sobald irgendwo ein genetisch abweichendes Zellmaterial gefunden wird, gibt es Interessenten für ein Patent. Auch wenn meist nicht einmal ansatzweise klar ist, welcher Nutzen daraus gewonnen werden kann, wollen die Chemielabors vorsichtshalber lieber ein Patent zuviel in der Schublade haben.

Jenseits der ethischen Fragen, die das Patentieren von Leben und von menschlichem Erbmaterial aufwirft, wachsen auch in wissenschaftlichen Kreisen die Zweifel, ob Patente die Forschung nicht eher blockieren als fördern. Lange Zeit galt als Dogma, daß private Forschung nur möglich sei, wenn durch Patente der spätere Ertrag gesichert sei. Inzwischen wird das in einschlägigen Einrichtungen wie etwa im Max-Planck-Institut auch anders gesehen. Patente können verhindern, daß an einem vielversprechenden Immunstoff auf breiter Ebene weitergeforscht wird, weil nur der Patentinhaber damit Gewinn machen kann.

Die Grünen wollen in dieser Woche das Europaparlament dazu bewegen, gegen Patente auf menschliche Gene einzutreten und von der EG-Kommission Rechenschaft zu verlangen, auf welche Weise die Europäische Union (früher Europäische Gemeinschaft) am Human Genome Diversity Project finanziell mitverantwortlich ist. Das Projekt müsse solange gestoppt werden, so Hiltrud Breyer von den Euro-Grünen, bis die ethischen wie auch die patentrechtlichen Fragen geklärt sind.

Der Präsident der Guaymi reist um einige Hoffnungen ärmer nach Hause. Denn eigentlich war er nach Europa gekommen, um die EG-Staaten an Rio zu erinnern, wo sie alle zusammen die Artenschutzkonvention unterschrieben haben. Um die Patentierung zu verhindern, wollte er sein Volk notfalls unter dieses Artenschutzabkommen stellen. Aber das bringt nicht mehr viel. Wie die USA will auch die EG dem Abkommen eine interpretierende Erklärung anhängen. Darin sollen Patente auf Lebewesen ausdrücklich erlaubt werden.