Adorno erhaben verwagnert

■ Die Hommage an den Denker blieb Persönlichkeitskult

Der Name Adornos führt etwas Hämisches bei sich: in vielen romanischen Sprachen hat er die Bedeutung „Schmuck“. Im Deutschen ward dieses bisweilen als Adjektiv gebraucht, treffend für die Hamburger Adorno-Nacht: schmuck! Heute hat man dafür das englische „gestylt“ sich ausgedacht, „kitschig“ wäre auch nicht verkehrt.

Was wohl vom guten Geschmack zeugen sollte, war letztlich eine Geschmacklosigkeit gegenüber der kritischen Theorie Adornos: erhabene Diaprojektionen vom seinem Kopf, unter denen Christine Eichel gegen die Adorniten wetterte, sie würden Persönlichkeitskult betreiben; lesen sollte man ihn wieder - und vorgelesen wurde ein „the best of“ mit den lustigsten Passagen (etwa Adornos Notiz, daß Kompositionslehrer Alban Berg sein Arbeitszimmer Konzentrationslager nannte - gelacht haben nicht wenige).

Zu Grabreden wurden zwei studentische Erinnerungen an Adorno, die Hannelore Hoger zwar perfekt vortrug, die aber ihren Ort eher in einer psychoanalytischen Sitzung gehabt hätten (“ich liebte ihn“, „er war mein Übervater“). Die aufgeführten Adorno-Kompositionen klangen steril, außerdem fehlten ihnen einleitende Worte. Schönbergs Verklärte Nacht in der Bearbeitung für Streichorchester hat dem Abend einen zweiten Titel zugespielt, und die tragende Romantik dieses Werkes sprach auch den Duktus der Adorno-Ehrung aus.

Jens-Peter Ostendorfs uraufgeführte Chant d'Orphée - Das Ganze ist das Unwahre, nach Adornos berühmten Satz aus der Minima Moralia, hatte etwas von der Überschrift, unter der Adorno ihn notierte: „Zwergobst.“ Zu fragen ist, ob die mythische Tragik des Stückes nicht auf dieselbe Kritik zugeschnitten war, mit der Adorno einst Strawinskys Sacre auseinandernahm? Was dieses Stück wie auch die Klanginstallationen von Karl-Heinz Schöppner an musikalisch Interessantem zu bieten hatten, hatte nichts mit Adorno zu tun, auch wenn es gut war. Es hatte mithin die ganze Nacht nichts mit Adorno zu tun, einschließlich des Versuchs, um seinen Namen ein Gesamtkunstwerk Wagnerischen Stils zu flechten.

Wo früher noch Arbeitstagungen über Adorno stattfanden, sind es nun die unterhaltsamen Nächte; wo 1988 ein Komponist in der Deutschen Bank nicht über Adorno referieren wollte, lauscht heute der den studentenbewegten Zeiten entwachsene Bildungsbürger den Worten Adornos zu Eintrittspreisen, die allein schon Adorno rechtgäben: das Ganze bleibt das Unwahre.

Roger Behrens