Aufstand gegen den Rebellen

■ Bei der Statt Partei machen die Wegner-Kritiker mobil / Turbulente Sitzung mit hohem Unterhaltungswert / Neuer Vorstand gewählt   Von Sannah Koch

Er hat begonnen – der Kampf mit den Geistern, die er rief: Markus Wegner, Ex-CDU-Rebell und Gründer der Statt Partei, hat Probleme mit seinen Jüngern. Bei der ersten ordentlichen Mitgliederversammlung der Wählervereinigung krachte es gestern kräftig im Gebälk. Schon haben sich die Widersacher in den eigenen Reihen formiert – und lieferten erste Kostproben künftiger Scharmützel.

Dabei standen nicht einmal die Knackepunkte – Regierungsbeteiligung, in welcher Form und zu welchem Preis – auf der Tagesordnung. Die etwa 300 der insgesamt 540 Mitglieder waren gekommen, um über den neuen Vorstand, mögliche Satzungsänderungen (Wählervereinigung oder künftig Partei?) und die Frage zu diskutieren, ob die Statt Partei ihre Aktivitäten auf das gesamte Bundesgebiet ausdehnen soll.

Daß dies nicht ohne Streit abgehen würde, war in der vergangenen Woche schon klar geworden: Da hatten die Anschuldigungen des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Heinrich Harmsen, Wegner sei machtbessenen und pflege einen autoritären Politikstil, bereits für innerparteiliche Unruhe gesorgt.

Im Laufe der Sitzung wurde deutlich, daß Harmsen mit seiner Kritik nicht alleine steht: Widerstand hatte sich nämlich nicht nur an Wegners vereinnahmendem Wesen entzündet, sondern auch an dessen Vorschlag, die Wählervereinigung in eine Partei umzuwandeln und ihre Aktivitäten auf das Bundesgebiet auszudehnen. Dies kommt für viele Mitglieder einem Verrat an den Grundsätzen der Vereinigung gleich.

So kritisierte Jürgen Warmke, ebenfalls Ex-CDU-Rebell und einer der führenden Köpfe der Wegner-Opposition, daß in der Statt Partei schon zwei Monate nach der Wahl nur noch wenig von der proklamierten Dialogfähigkeit und Transparenz zu spüren sei.

Bestes Beispiel: Die Besetzung der Koalitions-Verhandlungs-delegation. „Wer hat sie gewählt, wodurch ist sie legitimiert?“, so Warmke. Und auch der ehemalige SPD-Bürgerschaftabgeordnete Manfred Silberbach mahnte an, daß die Delegation dringend Sachverstand hinzuziehen müsse. Sein Seitenhieb: „Herr Wegner, im Umgang mit der Fraktion und den Mitgliedern müssen Sie noch etwas dazu lernen.“

Der zeigte sich zunehmend gereizt. Allen Grund dafür lieferte ihm schließlich der Auftritt Harmsens. Als Begründung für seinen Rücktritt von einer Vorstandskandidatur zog er ein heftiges Geschoß aus der Tasche: Er habe am Freitag einen Anruf von einer Person erhalten, die im Auftrag Wegners in seinem Privatleben herumschnüffeln solle. Offensichtliches Ziel: Harmsen zu demontieren. Darüber habe er eine Eidesstattliche Versicherung bei einem Hamburger Notar hinterlegt, erklärte er.

Wegner dementierte diese Behauptung entschieden: „Ich habe es nicht nötig, hinter jemandem herzuschnüffeln.“ Und über Harmsens Arbeit im Vorstand: „Ich lehne es ab, auf Anforderung eines Vorstandsmitgliedes zu springen wie ein Hund. Das bin ich nicht gewöhnt!“ Dem Antrag eines Mitglieds, die Versammlung zu vertagen, bis Harmsens Vorwürfe geklärt seien, wurde nicht stattgegeben.

Die Wahl des neuen Vorstandsvorsitzenden erwies, daß die Wegner-Anhänger in der Statt Partei aber noch in der Mehrzahl sind. Mit dem Unternehmensberater und Ex-FDPler Dieter Brandes wählten sie einen Vorsitzenden, der zum Wegner-Fanclub gezählt wird.

Über Satzungsfragen und vor allem die von Wegner gewollte Expansion debattierte die Versammlung noch nach taz-Redaktionsschluß.