Telefonitis

■ Telefondramen im Concordia: „Die menschliche Stimme“ nach Cocteau

Daß Frauen mit ihrer Telefoniererei das Telekommunikationsnetz an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringen, entspricht allgemeiner Lebenserfahrung. Warum sie das tun, das hat Jean Cocteau, der begnadete Allround-Entertainer für die gebildeten Schichten, in einem kleinenn Kammerspiel für Solotelefon und dessen einsame Benutzerin dargestellt: nämlich, um die gerade gescheiterte Beziehung zum Anrufer aufzuarbeiten. Francis Poulenc, eine der sechs Säulen der Klassischen Moderne Frankreichs, hat daraus einen 50 Minuten kurzen Operneinakter gemacht. Mark Hirsch hat diesen für das Bremer Theater in der Ausstattung von Gianni Carlucci auf die Bühne des Concordia gebracht.

Den musikalischen Teil hat Fabio Vetteraino - telefongerecht? - vom Orchester auf das Pianoforte reduziert. An der Strippe selbst dann Katherine Stone, des Theaters Spezialistin für eine wirkungsvolle Verknüpfung von Gesangs- und Darstellungskunst.

Regie und Bühnenbild haben stilsicher ins großbürgerliche Ambiente versetzt. Ein kleiner Schreibtisch, ein Stuhl, beide natürlich aus dem Rokoko, auf dem weiten Teppich verstreute Briefe, und an der Wand ein überdimensionaler Goldrahmen, in dessen tiefschwarz glänzender Fläche sich das (antike) Telefon und natürlich die Frau spiegeln, im weißen Nachthemdnach Wärme suchend.

Sofort stellt sich trotz der Größe des Raumes Beklemmung ein. Das Auge sucht eine Öffnung nach draußen. Die Bühne tut uns zwar den Gefallen, aber die Beklemmung bleibt. Wände verschieben sich, werden durchscheinend, und der Rahmen wird plötzlich von einem Flügel gefüllt samt dessen Spieler. Er wendet der Frau den Rücken zu und erzeugt jene Töne, die die Frau bewegen.

Katherine Stone, allein in ihrem Raum, kämpft mit der Technik (“So gehen Sie doch endlich aus der Leitung!“); sie ringt mit sich selbst, versucht den Anrufer zu erinnern, bremst dann ihre Aggressionen - weiß sie doch: Dies ist das Ende der Verbindung.

Zarte, leise, süße Töne, Verzeiflung, Bitternis und Resignation sind zu erleben. Eine brillante und packende Studie über die verlassene Geliebte – oder besser: über das Phantasiebild der Männer von der verlassenen Frau. Mario Niitsche

Weitere Aufführungen am 21., 24.11. sowie am 1. und 4.12. im Concordia