Schwimmübungen im Pazifik

■ Handel zwischen Nordamerika und Asien wächst / „APEC“-Treffen in Seattle

Washington (taz) — Mag das Vertrauen in die Erfolge multilateraler Politik mittlerweile arg getrübt sein — eines ist unstrittig: Sie produziert eine Menge Abkürzungen. „APEC“ – diese vier Buchstaben dürften den meisten AmerikanerInnen und EuropäerInnen noch unbekannt sein. Gemeint ist das „Asiatisch-Pazifische wirtschaftliche Kooperationsforum“, dessen Mitgliedsländer diese Woche ihre Staatschefs zum Gipfeltreffen nach Seattle an die Pazifikküste der USA geschickt haben.

Auf Gipfeltreffen werden erfahrungsgemäß selten richtungsweisende Beschlüsse gefaßt. Dieses wird voraussichtlich keine Ausnahme machen. Trotzdem, es wird allemal ein historischer Phototermin, denn in Seattle werden unter anderen die Regierungschefs der USA, Japans, der VR China, Taiwans und Südkoreas aufeinandertreffen – Länder, deren bilaterale Beziehungen bereits genügend Konfliktstoff abgeben würden. Doch im Gegensatz zu vielen anderen alten und neuen Abkürzungen in der internationalen Politik wird „APEC“ von vielen eine große Zukunft vorausgesagt. Manche sehen die größte Freihandelszone der Welt am Horizont, andere gar eine Institution, wie sie die G-7-Länder darstellen.

Doch die fünfzehn „APEC“- Länder sind sich bisher noch nicht einmal über die Funktion ihres Zusammenschlusses einig. Allerdings dürfte das Gipfeltreffen Signale an die Verhandlungsparteien der Gatt-Gespräche aussenden: Sollten diese scheitern, wäre „APEC“ für die Beteiligten eine potentielle regionale Alternative. Wenn Mexiko noch beitreten würde, wäre damit die Verbindung zur nordamerikanischen Freihandelszone Nafta hergestellt – vorausgesetzt, die ist bis dahin endgültig ratifiziert. Dem 1989 ins Leben gerufenen Forum gehören fünfzehn Länder an – neben Kanada und den USA, die VR China, Japan, Südkorea, HongKong, Taiwan, Australien, Neuseeland sowie die Mitgliedsländer der „Assoziation süostasiatischer Nationen“ (Asean), Malaysia, Singapur, Indonesien, Thailand, Brunei und die Philippinen. 40 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts wird in diesen Nationen erwirtschaftet. Vor allem aber repräsentiert „APEC“ die Regionen mit den größten Wachstumsraten in der Weltwirtschaft. Mittlerweile ist das Forum eine feste Institution mit Sekretariat in Singapur, das in nicht allzu ferner Zukunft einige Bausteine für die wirtschaftliche Integration der Region setzen könnte: Abbau von Zöllen und anderen Importbeschränkungen, Harmonisierung der Standards im Bereich der Telekommunikation, der Zulassung von Lebens-und Arzneimitteln oder ein gemeinsames Luftverkehrsabkommen.

Noch geht aus US-amerikanischer Sicht die Sonne nicht im Westen auf, doch das Interesse an der Pazifikregion ist klar: Der transpazifische Handel der USA ist seit 1978 von einem Umfang von rund 80 Milliarden Dollar auf über 300 Milliarden angewachsen. 26 Prozent des gesamten US-Exports gingen letztes Jahr nach Westeuropa, 29 Prozent nach Kanada und Mexiko, 30 Prozent in den asiatisch- pazifischen Raum. Was die Freude der USA chronisch trübt, ist der Umstand, daß die Handelsbilanz trotzdem unterm Strich mit 100 Milliarden Dollar pro Jahr zu Ungunsten der Amerikaner ausfällt – vor allem, was die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit Japan und der VR China betrifft. Das dürfte beherrschendes Thema zwischen Bill Clinton und dem japanischen Premierminister Morihiro Hosokawa sein.

Das für morgen geplante Zusammentreffen mit dem chinesischen Präsidenten Jiang Zemin wird primär von der Frage geprägt sein, wie es die Clinton-Administration in ihrer zukünftigen China- Politik mit der Abwägung von Wirtschaftsinteressen und Menschenrechten hält. Politischen Druck, wie ihn amnesty international beim China-Besuch von Bundeskanzler Helmut Kohl ausübte, bekommt Clinton auch in Washington zu spüren – vor allem dann, wenn es um die Verlängerung des „Most Favoured Nation“- Status (MFN) geht, der die Volksrepublik von bestimmten Handelszöllen befreit. Aufgrund der Lobbyarbeit von Menschenrechtsgruppen hat der US-Kongreß der VR China den MFN-Status nur für ein Jahr gewährt und eine Verlängerung von der Lage der Menschenrechte abhängig gemacht. Doch allein der Umstand des Treffens zwischen Clinton und Jiang Zemin ist eine Aufwertung der chinesischen Machthaber. Andrea Böhm