„Rostock war ein Schlüsselerlebnis“

■ Nebenkläger fordern im Mölln-Prozeß Höchststrafen

Schleswig (taz) – Für Hans-Christian Ströbele, Nebenklage-Anwalt im Prozeß um die Morde von Mölln, steht fest, daß die Angeklagten Michael Peters und Lars Christiansen nicht allein auf der Anklagebank sitzen. Zwar haben die beiden Männer aus rassistischer und menschenfeindlicher Gesinnung am 23. November 1992 drei Menschen in Mölln ermordet. Aber auch Politik und Behörden trügen eine Mitverantwortung an den Brandanschlägen.

In ihren Plädoyers folgten die drei Nebenkläger, die die Familienangehörigen der Opfer vertreten, am Dienstag der Forderung der Bundesanwaltschaft: lebenslange Haft für Peters und 10 Jahre Jugendstrafe für Christiansen wegen dreifachen Mordes, mehrfachen versuchten Mordes und besonders schwerer Brandstiftung.

Politiker hätten im Herbst letzten Jahres „die Stimmung ganz bewußt geschürt“, um die Änderung des Asylrechts zu erreichen und Wahlen zu gewinnen, so Ströbele. Das Klima sei geprägt gewesen von Haß und Fremdenfeindlichkeit. Zudem seien die Anschläge in Rostock ein Schlüsselerlebnis gewesen. Nicht nur, daß die rechtsradikalen Gewalttäter ihr Ziel, die Vertreibung der ausländischen Mitbürger, erreicht hätten, auch das sehr späte Eingreifen der Polizei „sah fast schon aus, als sei es staatlich geduldet“. Das Urteil des Gerichts werde gleichzeitig eine „politisch-moralische Anklage gegen das unverantwortliche Schüren von Ängsten in der Bevölkerung und das Dulden von verbalen Angriffen“ sein.

Er habe zunächst auch erwogen, „ob sich die Angeklagten des Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben“. Es gebe eine Reihe von Indizien dafür, aber es könne nicht bewiesen werden, daß die Angeklagten zielgerichtet eine Gruppe von Menschen töten wollten, erklärte Ströbele. Wichtige Indizien gebe es jedoch dafür, daß die beiden Angeklagten den Tod von Menschen „nicht nur bewußt in Kauf genommen, sondern gewollt“ hätten. Dazu gehöre auch, daß die Beschuldigten vor den Anschlägen in Mölln Türken als Menschen dritter Klasse bezeichnet hätten.

Während seines Schlußvortrages vermutete Ströbele, daß Christiansen der Drahtzieher gewesen sei. Immerhin habe dieser an den beiden Brandanschlägen im September 92 auf zwei Asylbewerberheime, die Peters gestanden hat, nicht teilgenommen. Christiansen waren diese Anschläge zu dilettantisch. Dagegen habe er, so Ströbele, den Möllner Anschlag bis ins Detail geplant. Immerhin besaß Christiansen einen Ordner „Glorreiche Taten“, in dem er Zeitungsartikel über Rostock und Hoyerswerda sammelte.

Ursprünglich war geplant, die Schlußvorträge der Verteidiger, die vermutlich auf Freispruch plädieren werden, am 23. November, genau am Jahrestag der Anschläge von Mölln, zu hören. Auf Wunsch der Verteidiger wird der Termin mit Rücksicht auf die Opfer auf kommenden Mittwoch verschoben. Kersten Kampe