„Die Demokratie schmeckt gut“

■ Wie der ANC sich vom bewaffneten Kampf lossagte und Mandelas Versöhnungsweg einschlug / Kernpunkte der Verfassung

Tokyo Sexwale, ANC-Vorsitzende der Region Johannesburg, beschrieb den Umdenkungsprozeß der Anti-Apartheid-Allianz so: „Im Gefängnis von Robben Island haben wir davon geträumt, unsere Befreiung nach dem Vorbild von Mosambik zu erkämpfen. Statt dessen erreichten wir sie auf Mandelas Weise.“ Das Vorbild Mosambik bedeutete bewaffneter Befreiungskampf, „Mandelas Weise“ Verhandlung und Versöhnung. Das fiel nicht immer leicht. „Wenn sie Würstchen und Demokratie lieben“, stöhnte vor ein paar Tagen der ANC-Vertreter Mathew Phosa, „dann schauen sie nicht zu, wie sie gemacht werden.“

Damit meinte der Leiter der Rechtsabteilung der Anti-Apartheid-Allianz die Kompromisse des Verhandlungsprozesses und die Zeit. Vor 45 Monaten hatte Staatspräsident Frederik de Klerk den Anfang vom Ende der Apartheid verkündet. Mindestens 12.000 Menschen fielen seitdem der politisch motivierten Gewalt am Kap zum Opfer.

Aber der African National Congress verlegte sich nicht nur auf den Verhandlungsweg, weil er zusätzliches Blutvergießen vermeiden wollte. Er war nach Jahrzehnten des Widerstands zwar stark genug, dem weißen Minderheitsregime so viele Knüppel zwischen die Beine zu werfen, daß alle Hoffnungen auf Wirtschaftswachstum oder ein Ende der politischen Isolierung begraben werden mußten. Aber der Widerstand reichte nicht, um das Regime zu stürzen.

Nach den Vereinbarungen wird Südafrika von 1994 bis 1999 von einer Regierung der Nationalen Einheit regiert, der alle Parteien angehören, die bei den für den 27. April geplanten ersten allgemeinen Wahlen mehr als fünf Prozent der Stimmen erhalten. Entscheidungen über finanzielle und sicherheitspolitische Fragen müssen demnach zwischen Nelson Mandela und Präsident Frederik de Klerk mit 60prozentiger, alle anderen Beschlüsse mit einfacher Mehrheit im Kabinett beschlossen werden. Die Nationalversammlung wird den Präsidenten wählen. Seine beiden Stellvertreter sollen von den Gruppierungen ernannt werden, die mehr als 80 Abgeordnete oder über 20 Prozent der Stimmen stellen.

Die Anti-Apartheid-Allianz schaffte es, die Grundlage für eine Reform der umstrittenen südafrikanschen Polizei zu legen. Danach wird die Leitung der Polizei in den künftigen Provinzen von der Zentralregierung bestimmt. Der regionale Regierungschef kann zustimmen oder sein Veto einlegen. Die 120.000köpfige Polizei, die etwa zur Hälfte aus Weißen besteht, bleibt unter Leitung des südafrikanischen Präsidenten.

Dafür machte der ANC in anderen Bereichen Zugeständnisse. Bei Verhandlungen über die Zukunft des öffentlichen Dienstes, der 1,2 Millionen Beamte umfaßt, gab der ANC eine „Job-Garantie“. Nur drei bis vier Prozent der Spitzenbeamten müssen mit ihrer Ablösung rechnen. Gleichzeitig sollen nur die Pensionsvereinbarungen untersucht werden, die seit April dieses Jahres getroffen wurden.

In ihren Genuß kamen vor allem Generäle der Streitkräfte und der Polizei. Ein Diplomat: „Das Datum April ist witzlos. Die Schweinereien sind vorher gelaufen.“ Im Gegenzug freilich werden ehemalige Mitglieder vom „Speer der Nation“, der Befreiungsarmee des ANC, ebenfalls in den Genuß von Pensionen kommen. Der neue Chef der südafrikanischen Streitkräfte, General George Meiring, bleibt voraussichtlich im Amt. Er erhielt einen Fünf-Jahres-Vertrag von der De-Klerk-Regierung.

Die Struktur der Streitkräfte soll nicht angetastet werden. Das Offizierkorps bleibt im Amt, ehemalige ANC-Soldaten und frühere Mitglieder anderer bewaffneter Gruppen sowie Soldaten der Homelands müssen sich langsam durch die Ränge hocharbeiten. Die Hoffnung der Anti-Apartheid-Allianz: Das Verteidigungsministerium kontrolliert künftig die Streitkräfte.

Ob das gelingt, ist fraglich. Denn während die Widerstandsgruppierungen ihre bewaffneten Einheiten auflösen, bleiben die Streitkräfte nicht nur in ihrer gegenwärtigen Form bestehen. Während der letzten Monate wurden von den Streitkräften über 100.000 automatische Gewehre an weiße Mitglieder der „Comandos“ verteilt. Armeechef Meiring: „Das dient dem Schutz von Bauernhöfen und Häusern.“ Die Comandos sind just die Gruppierungen, auf die rechtsradikale Weiße setzen, die dem bewaffneten Widerstand gegen die vereinbarten Reformen das Wort reden. Mathew Phosa störte das freilich am Mittwoch ob seiner Freude über das Verhandlungsergebnis wenig: „Wenn die Demokratie dann fertig ist, schmeckt sie hervorragend.“ Willi Germund, Johannesburg