Wenig Vorzeigbares in Sachen Menschenrechte

■ Handlungsreisender Kohl in China: Warmer Regen für die Wirtschaft, kalte Dusche für Menschenrechtler / Deutsche Exportwirtschaft darf sich freuen

Peking (taz) – Als „sehr positiv“ bewertete Helmut Kohl gestern in Peking seine Gespräche mit der chinesischen Führung. Kein Wunder, durfte der deutsche Bundeskanzler den rund 200 versammelten Pressevertretern doch von einem warmen Regen für die darniederliegende deutsche Wirtschaft berichten: Verträge, Vorverträge und Absichtserklärungen mit einem Volumen von knapp sieben Milliarden Mark seien unterzeichnet worden.

Den dicksten Fisch angelte sich ein deutsches Konsortium unter Führung von Siemens: einen Auftrag für den Bau einer U-Bahn in Kanton im Wert von rund 700 Millionen Mark. Das Geschäft wird zur Hälfte mit zinsverbilligten Krediten aus Bonn finanziert. Auch die Airbus Industries kam nicht schlecht weg – sie verkauft sechs Jets im Wert von 800 Millionen Mark. Knapp 20 Verträge waren am Dienstag in der großen Halle des Volkes im Beisein von Li Peng und Kohl unterzeichnet worden. Dabei kam noch einmal Basaratmosphäre auf. Der chinesische Ministerpräsident Li Peng beklagte – assistiert von seinem Vize Zhu Rongji – die hohen Preise deutscher Produkte. Der Kanzler – sekundiert von Daimler-Benz- Chef Edzard Reuter – reagierte mit dem Verweis auf die gute Qualität aus deutschen Landen.

Die Gespräche mit Regierungschef Li Peng, Zhu Rongji, Staatspräsident Jiang Zemin und dem Vorsitzenden des Scheinparlaments Nationaler Volkskongreß wurden von der beklagenswerten Lage der Menschenrechte in China nicht getrübt: Glaubt man dem gemütlichen Pfälzer, so waren sie allesamt „ungewöhnlich offen, konstruktiv und freundlich“. Natürlich, so der Kanzler, habe er auch die Menschenrechte angesprochen. Dabei habe er auch eine Liste mit mehr als 20 Namen politischer Gefangener übergeben. Die werde derzeit von den chinesischen Behörden überprüft. Kohl will auch schon erste „positive Signale“ vernommen haben; über konkrete Ergebnisse schwieg er sich aus. Wer von den anwesenden Journalisten sich damit nicht zufrieden gab, wurde ziemlich rüde abgebügelt. Auf keinen Fall wollte Kohl den Erfolg seines Besuchs mit Fortschritten in der Menschenrechtsfrage verknüpft sehen.

Das Hauptgewicht seiner Reise, so der Kanzler selbst, liege auf wirtschaftlichem Gebiet. Deutschland will den Chinesen künftig als „zuverlässiger Partner bei der Modernisierung“ zur Seite stehen. Zugleich kündigte Kohl eine „neue Qualität“ in den bilateralen Beziehungen in den Bereichen Kultur, Bildung und Wissenschaft an. So darf das seit sechs Jahren in Peking ansässige Goethe-Institut künftig auch kulturelle Veranstaltungen ausrichten. Bisher war die Arbeit des Instituts auf die Sprachvermittlung beschränkt. Kulturelles gab es nur als Ausnahme – die chinesiche Regierung fürchtete den verderblichen Einfluß westlicher Dekadenz. Sicherheitshalber haben die Chinesen deshalb um kulturelle Veranstaltungen im Bereich der klassischen Literatur und Musik gebeten. Weiter – auch dies gehört zur „neuen Qualität“ der Beziehungen – will man die regelmäßigen bilateralen Konsultationen verstärken. So darf man für das nächste Jahr mit dem Erscheinen von Li Peng, einem der Hauptverantwortlichen für die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung, in Deutschland rechnen. Edgar Fog