Sündiger Weihnachtskalender

■ Multimedia Projekt „Gomorrha“ von Jovanka von Willsdorf

„Alle Parameter auf 100“, so sieht die Musikerin Jovanka von Willsdorf das heutige urbane Leben. Das Bombardement der Sinne, dem man in der Stadt ausgesetzt ist, läßt sich als Input verstehen; die Reaktion darauf bleibt der Eingangs-Intensität scheinbar adäquat: hyperaktive Menschen mit einem Ausstoß an Leistung, an Müll, an Emotion. Im Alten Testament hieß man dieses Leben „sündig“. Diesen Kontext will die Künstlerin in Gomorrha präsentieren, einem Projekt, das multimedial konzipiert ist und verschiedenste künstlerische Formen vereinen will.

Bei der Premiere heute abend in der Katharinenkirche werden die Zuschauerinnen und Zuschauer verschiedenste Bühnen-Ebenen, mehrere Projektionswän-de für Dias und Super-8-Filme und ingesamt sechs Musizierende sehen können. Das musikalische Spielstück enthält zwar Elemente aus Oper, Theater, Musical und Rockdarbietung, ließe sich aber nicht einordnen, betont von Willsdorf: „Es ist wie ein Adventskalender mit Türchen, die man aufmachen kann.“

Die zwölf sehr unterschiedlichen Songs, fast alle komponiert von der 26jährigen selbst, werden zusammengehalten von „atmosphärischen Zwischenräumen“, von Klang-Kollagen, durch die sich der menschliche Herzschlag wie ein roter Faden zieht. „Der Mensch steht im Mittelpunkt“, erklärt die ausgebildete Musikerin und Sängerin, die auch mit auf der Bühne stehen wird. „Ich will Grenzen ausweiten,“ erzählt sie, und, „es geht um Steigerungen in jeglicher Form.“

Daß ausgerechnet ein Stück in einer Kirche geboten werden kann, das sich dem biblischen Unheil widmet, wirkt paradox. Von Willsdorf vermutet, daß der Titel Gomorrha den Pastor vielleicht an den Feuersturm über Hamburg erinnert habe, und er deshalb die Zusage erteilte. Auch die Kulturbehörde mag eher in diese Richtung gedacht haben, als sie das Projekt mit 8.500 Mark bezuschußte. Doch trotzdem müssen alle Musikerinnen und Musiker unentgeltlich arbeiten – dies ist umso erstaunlicher, weil sämtliche Beteiligten Profis sind: Neben Studiomusikern und im Klassik-Fach Arbeitenden finden sich auch Theaterleute.

Die Vermutung, es handele sich bei diesem Projekt um eine gut inszenierte Personality-Show für sie selbst, weist Jovanka von Willsdorf weit von sich. Doch auch wenn dem so wäre – eine musikalische Darbietung, die eine Instrumentierung von Schlagzeug, Cello, Ackordeon, Geige, Bass und Gesang mit Tape-Zuspielungen kombiniert und dazu noch visuelle Häppchen bietet, lohnt allemal die Neugier.

Greta Eck

Heute abend, Katharinenkirche, 20 Uhr; 2. bis 4. Dezember, Westwerk, 21 Uhr.