■ Urdrüs wahre Kolumne
: Balzverhalten heutzutage

Man muß es schon mit eigenen Ohren gehört haben, um zu erfahren, wie die Liebe als Himmelsmacht zum Nonvaleur verkommt! Daß enthusiastische Catchfreunde schon mal samt Trauzeugen frisch verheiratet vom Hochzeitsessen zur Hochzeitsnacht mit den Berufsringern in die Stadthalle kommen, mag man noch verstehen angesichts der dramatischen Kostenentwicklung bei Tanzcombos und Alleinunterhaltern: Steht man sich mit der Unterhaltung am Seilgeviert doch preiswerter. Was aber einen jungen Mann dazu bewegen kann, zwischen zwei blutigen Ringschlachten ans Mikro zu eilen, um „der schönsten Frau Bremens in Block Nord/Reihe 7“ einen Heiratsantrag zu stammeln, wäre eine sozialpsychologische Untersuchung über „Balzverhalten Heute“ wert.

Der Herr Goethebunds-Präsident Dr. Klaus Gaetjen sei nachdrücklich aufgefordert, den Säulenheiligen seines Verbandes in Schutz zu nehmen vor würdeloser Vereinnahmung durch viehische Geschäftemacherei. Inseriert doch der Teppichhandel Bustorff aus Halstenbek in hiesigen Zeitungen seinen Schurwoll- Veloursboden mit dem Bild des Meisters und den Worten „Mir fehlen die Worte“. Wäre Johann Wolfgang eine Mickymaus – längst hätte der Bannstrahl der Walt Disney Company diese Unbotmäßigkeit mit Blitz und Donner geahndet. Und mit Goethe soll man's machen können?

Heissa, heute wieder Jugendpresseball im Parkhotel! Junior versucht, mit Papas Kreditkarte in der Halali-Bar zum Abschuß zu kommen, dekolletierte Kippenberg-Queens achten darauf, nicht wieder das Kaugummi ihrer Tanzpartner an der Schleife des Stretchkleides wiederzufinden und in all dieser früh vergreisten Snob-Tristesse hat der verehrte Bürgerschaftspräsident Dr. Dieter Klink einmal mehr die Aufgabe, etwas jugendlichen Schwung hineinzubringen.

Der verantwortungsbewußte Vater/ die ernstlich besorgte Mutter aber läßt es trotz dieser Konzession an das Niveau nicht zu, daß Sohn und/oder Tochter hier in schlechte Gesellschaft geraten. Gebt der Brut lieber paar Mark für die Hardrock-Dröhne Aladin!

Wie verstehen Sie, liebe Leserin, diesen Aushang am Kundenbrett eines Findorffer Supermarkts? „Nette Familie sucht freundlichen Opa als Nikolaus. Auch Weihnachtsmann wäre nett. Gern mit Parzelle oder Haus mit Garten.“ Wir warnen eindringlich vor dieser netten Familie. Sei wachsam, Senior! UlrichReineking-Drügemöller