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Heckmeck um Heilsarmee

■ Behördenärger um Suppenspeisung für Junkies und Alkoholiker am Sielwalleck

Friedrich van Nispen ist ein mutiger Mann: Nachdem der Drogenstrich zerschlagen worden ist, scheint es ihn nach größeren Gegnern zu verlangen. Und er hat den allergrößten gefunden, IHN. Vor gut zwei Wochen startete das Innenressort eine neue Offensive am Sielwalleck, aber diesmal nicht gegen die Junkies, sondern gegen die Heilsarmee. Die verteilt nämlich jeden Samstag Suppe an die Bedürftigen, und das, findet die Ressortspitze, finden ein paar Anwohner und findet auch die FDP und die Beiräte von Wir im Viertel, das muß weg! Von wegen Infrastruktur für die Junkies.

Seit genau einem Jahr steht die Heilsarmee Samstag für Samstag von acht bis zehn am Eck und schenkt Süppchen aus. Es wird gesungen, gebetet, manchmal spielt auch ein Posaunenchor, und ab und an müssen sich die gottesfürchtigen Frauen und Männer aggressiver Kundschaft erwehren. Aber ansgesamt ist die Szenerie friedlich, die Heilsarmisten haben sogar unerwarteten Erfolg: Manche Kunden suchen nicht nur was Warmes für den Magen, sondern auch für die Seele. Ein paar sind schon bei Gottesdiensten aufgetaucht. So weit, so friedlich, und das könnte auch so bleiben, wenn es nicht ein paar böse Nachbarn gäbe - und den Senatsbeschluß, daß die offene Drogenszene zerschlagen werden soll.

Also gab es eine Anfrage des Innensenators bei seinem Stadtamt: Ob die Heilsarmee für ihre Armenspeisung denn eigentlich eine Sondernutzungsgenehmigung beantragt hätte. Es habe Beschwerden aus der Bevölkerung gegeben. Ein Ladenbesitzer hatte gemeckert, obwohl die Heilsarmee sogar saubermacht, wenn sie das Eck verläßt. Da wanden sich die zuständigen Damen und Herren im Stadtamt, Gott, war das peinlich. „Aufruhr im Stadtamt“, erzählte einer der Beteiligten. Keine Sondernutzungsgenehmigung? - Da machen wir doch eine Sitzung, ordnete die Ressortspitze an. Und so kam es am Dienstag vergangener Woche zu einem Treffen im Stadtamt: Jürgen Becker, Abteilungsleiter daselbst, Marianne Wiese, zuständig für Sondernutzungen, der Kontaktbereichsbeamte Roder, Hucky Heck fürs Ortsamt, und der Heilsarmee- Leutnant Allrogge.

Leutnant Allrogge erzählte von seinen Einsätzen, von der Suppe und den Posaunen und vom Singen und Beten und daß er sich am Samstagabend auch was Schöneres vorstellen könnte. Aber wenn der Herr meine, das wäre der richtige Ort, dann wäre das eben der richtige Ort - bei den Junkies und den Punks und den Alkis. Außerdem würde die Arbeit gut angenommen: Aus vielen Gemeinden hätten sich Gläubige für den Dienst am Eck gemeldet, und die Spenden flössen reichlich. Da wurde den anderen am Tisch ganz warm ums Herz. Soll man solchen Leuten das Gutsein verbieten? Aber was kann man tun, um der senatoriellen Strenge Genüge zu tun? Die Beamtenrunde ging dann der religiösen Bedeutung des Themas angemessen mit einem salomonischen Beschluß auseinander: Daß man doch erstmal den Beirat fragen wolle.

Der Beirat tagte an eben diesem Abend in nichtöffentlicher Sitzung. Und als fast alle schon nachhause oder in die Gastwirtschaft gegangen waren, da kam noch unter „Verschiedenes“ die Heilsarmee zur Sprache. „Jaa“, sagte da Stefan Schafheitlin, Kämfer gegen den Drogenstrich von „Wir im Viertel“, an sich sei Suppe ja nicht so schlimm. Man müsse sie aber im Zusammenhang mit der Drogenberatungsstelle und den ganzen anderen Hilfen für Junkies im Viertel sehen. Und die seien sowieso schon zu viele. Wenn die Junkies immer nur im Viertel versorgt würden, würden die sich nie wegbewegen. Also: Die Suppe muß weg! Und dieser Meinung war dann auch seine Fraktionskollegin de Boer und Ralf Mulde von der FDP, allein innensenatormäßig. Schließlich folgt man seinem Parteikollegen. Es waren zwar nur noch neun Beiräte da, aber die übrigen sechs mochten sich dann doch nicht den antiheilsarmistischen Eiferern anschließen. Also: SPD, Grüne, CDU für die Suppe. Die Abstimmung endete sechs zu drei.

Was nun aus der Heilsarmee wird - man weiß es nicht. Daß es da Unmut gegeben hat, „ach ja“, sagt da Leutnant Allrogge, „solche Gerüchte hört man überall.“ Er habe immer nur gehört, daß die Suppenküche am Sielwalleck eine „sehr begrüßenswerte Arbeit“ sei. Schließlich hat ihn ja auch der Herr dahingestellt. Und wer würde es wagen, sich mit diesem Hintermann anzulegen?

Jochen Grabler

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