„Schutzraum für Frauen aus Kriegsgebieten“

■ Frauenflüchtlingshaus soll seine Arbeit aufnehmen / Zur Enttäuschung des Vereins Azra werden kaum Frauen aus dem Bürgerkrieg in Jugoslawien geholt

Weil sie die abendlichen Greuelbilder vom jugoslawischen Bürgerkrieg nicht mehr tatenlos mitanschauen konnten, bildete sich vor zehn Monaten ein Initiativbündnis, um in Berlin ein Frauenflüchtlingshaus zu gründen. Noch im November soll das Haus nun endlich mit seiner Arbeit beginnen. Doch bei den InitiatorInnen, dem „Internationalen Verein gegen Kriegsgewalt an Frauen/Azra“ ist die Freude darüber verhalten.

„Wir wollten Frauen aus Kriegsgebieten einen Schutzraum schaffen und damit auch ein politisches Signal setzen“, erläutert Karin Ronge die Idee zum Frauenflüchtlingshaus. Rund 80 Frauen und Kinder wollte man aus dem Kriegsgebiet nach Berlin holen, ganze sechs Plätze sind davon übriggeblieben. Dabei soll das ehemalige Asylbewerberheim in Schöneberg 40 Personen Schutz gewähren, „bei Bedarf kann man sogar bis 86 Frauen und ihre Kinder dort unterbringen“, sagt Bettina Martin, Sprecherin der Frauensenatorin. Gedacht sei an Frauen mit Kriegstraumata, die im Haus auf psychosomatische Hilfe zurückgreifen können.

Zur Enttäuschung von Azra möchte man jedoch keine Opfer aus dem Kriegsgebiet neu nach Berlin holen, sondern Hilfsbedürftige unter den bereits rund 17.000 in Berlin lebenden Flüchtlingen suchen. Lediglich sechs Plätze im Heim werden für sogenannte „Härtefälle“ reserviert, die nach Absprache mit dem Innensenator und dem Bundesinnenminister nach Deutschland einreisen dürften. Selbst für diese sechs Plätze gibt es nach Angaben der Behörden derzeit keine Anwärter. Für Karin Ronge völlig unverständlich: „Wir könnten der Senatsverwaltung sofort eine Liste mit 200 bis 300 bedürftigen Frauen vorlegen.“

Statt dessen ist fraglich, ob im Frauenflüchtlingshaus wirklich kriegstraumatisierte Frauen betreut werden. Zwar ist Bettina Martin „sicher, daß wir das Haus vollbekommen“, doch eine Tischvorlage von Senatorin Christine Bergmann läßt anderes vermuten. In dem Schreiben, das der taz vorliegt, heißt es: „Für den Fall, daß das vorgesehene Kontingent von 40 Plätzen nicht mit dem oben genannten Personenkreis (kriegstraumatisierter Frauen, d. Red.) ausgeschöpft werden kann, sind sonstige Flüchtlingsfrauen zuzuweisen.“

Die Auswahl der Bewohner soll durch eine „Clearing-Stelle“ erfolgen, die sich aus MitarbeiterInnen der Senatsverwaltungen für Frauen und Arbeit sowie Soziales zusammensetzt. Betreut werden die Frauen von drei Sozialpädagoginnen und zwei Erzieherinnen, die täglich zwischen acht und zwanzig Uhr ihre Beratung auch in der Muttersprache anbieten.

An eine Zusammenarbeit mit Azra ist anscheinend nicht mehr gedacht. Weil das Projekt von der Sozialverwaltung finanziert wird, konnte der Verein die Trägerschaft nicht übernehmen. Azra sieht sein Konzept in dem nun entstehenden Frauenflüchtlingshaus nicht umgesetzt. Es klingt schon etwas resignierend, wenn Karin Runge meint: „Wir hatten auf schnelle und unbürokratische Hilfe gesetzt. Die Politiker müssen sich letztendlich fragen lassen, was sie konkret gegen die Kriegsgewalt getan haben.“ Hella Kloss