Zwischen den Rillen
: Die Liebe der Common People

■ Lösungsmittel für alles: Die Neuen von Paul Young und Lloyd Cole

In Zeiten von Guns'N Roses, Pearl Jam, Soul Asylum und anderen neuen Heroen, die „Rockkultur neu ausdrücken und in zeitgemäßem Gewand präsentieren“ (so ein Werbespruch für die neue Pearl-Jam- Platte), hat man es als altgedienter Musik-Business-Recke naturgemäß schwer. Besonders dann, wenn man Lloyd Cole oder Paul Young heißt und nie dafür einstand, vermeintlich aufrührerische Lebensentwürfe per Musik zu transportieren. Seit etwa einem Jahrzehnt kultivieren die beiden ihren Qualitätsschnulzenansatz, und ihre neuesten Alben machen da keine Ausnahme.

Mit Lloyd Cole verbindet man in erster Linie sein Debüt „Rattlesnake“, das in etwa den Charme eines sonntagnachmittäglichen Picknicks einer französischen Großfamilie versprühte und dem Dreitagebartträger einen ganz passablen Ruf verschaffte – auch innerhalb der auf credibility bedachten Gemeinde. Auf dieser Fährte fuhren er und seine Commotions noch ein bißchen weiter, mit abnehmendem Insiderstatus und zunehmendem Hang zum Pomp, bis man ihn irgendwann in den Niederungen der Rias 2- Hörercharts aus den analytisch beobachtenden Augen und selektiv hörenden Ohren verlor.

Auf „Bad Vibes“ nun fährt Cole immer noch auf dem Ticket „Ein Engländer in New York“, hat sich dort eine Reihe von Musikern (unter anderem den omnipräsenten Matthew Sweet) für das Album engagiert. Eine Platte, die natürlich nicht unbedingt die „Future of Rock'n' Roll“ (nach der in einem Song gefragt wird) gesehen hat und einen grundsoliden Middle-Of- The-Road-Pop-Rock bietet. Allein der Eingangssong „Morning Is Broken“ läßt einen schon zweimal auf das Cover schauen, bratzig dröhnen einem schnöde U2-guitar-bass-parts entgegen, und Lloyd Cole scheint sich vor allem als schlechter Bono-Imitator abzumühen.

Das alte Nonchalance des Spätbohemiens Cole ist dahin, etwas haltlos schlingert er zwischen aalglatter, angedickter Rockproduktion und der unfertigen, losen Songschreiberei, die man tatsächlich an ihm gemocht hat. Nachdenklichkeit wird allenfalls zur Schau gestellt, Cole kann den „way home“ nicht finden, dafür aber sie (was ja immerhin auch etwas ist!). Wer ihm die „Bad Vibes“ eingeflüstert hat, ihn, wie auf dem Cover dargestellt, eigentlich in die Ecke drängt, bleibt unklar – der big Befreiungsschlag ist ihm mit „Bad Vibes“ nicht gelungen: Bleibt der Schmollwinkel als Erkennungszeichen und Option für die nähere Zukunft.

Paul Young hat sich noch nie dahin zurückgezogen, dafür schwebte er immer schon eine Idee zu hoch über dem Pop-&- Wave-Geschehen der achtziger Jahre, hatte Überhits wie „Come And Stay“, „Where Ever I Lay My Hat“ oder „Love of The Common People“, sorgte aber auch mit seiner gar nicht so danebenen Fassung von Joy Divisions „Love Will Tear Us Apart“ für eine freundliche und mild stimmende Überraschung.

Auf diesen Pfründen läßt sich schon besser bauen, und um MTV-Props braucht der Mann sich nicht unbedingt Sorgen zu machen: Sein Publikum sitzt eher in Heinz-Schenk-Sendungen als in Gong-Shows oder vergleichbaren Döns (wobei nicht gesagt sein muß, daß letztere unbedingt lustiger und witziger sein müssen).

Auch Young macht auf „The Crossing“ wie gehabt weiter: Elf Lieder über die Liebe, das Gleitmittel für seine markant- krächzende Stimme – und das Lösungsmittel für jede Art von Konflikt. „Gotta Find Love“, folglich ist „Hope in Hopeless World“, oder es geht um „Someone to remind me, love is trying to find me“ etc. pp. – man kennt das. Balsam für geschundene Seelen und Paul Young als der Heilsbringer für nette Stündchen.

Auch wenn er nicht mehr ganz so frisch aussieht: Paul Young bleibt der marktgerecht blendende weiße Soul-Entertainer. An den produktionstechnischen Reglern saß größtenteils Don Was (von Was Not Was) und sorgte für die entsprechend breitwandige Soul-Pop- Instrumentierung, die keinem Ohr etwas zuleide tut.

Dumm nur, daß keines der Stücke auf „The Crossing“ echtes Smash-Hit-Potential entwickelt. Zwei Jahre ist es her, da hievte ihn Kollege Zucchero noch mal in die Charts: „Senza Una Donna“ sang das Duo, der göttlichste Schmalz auf Erden. „The Crossing“ ist bloß noch die Zementierung des einmal Erreichten. Gerrit Bartels

Lloyd Cole: „Bad Vibes“ (Fontana/Phonogram)

Paul Young: „The Crossing“ (Columbia/Sony)