Clinton setzt Nafta durch

Das US-Repräsentantenhaus hat den Nafta-Vertrag mit deutlicher Mehrheit gebilligt / Gewerkschafter und Ökologen enttäuscht  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Am Ende hat womöglich der Deal mit den Gurken den Ausschlag gegeben. Oder die Abmachung in Sachen Erdnußbutter, Zucker und Zitrusfrüchten. Jedenfalls präsentierten sich die VertreterInnen der Agrarverbände vor der Abstimmung des US-Repräsentantenhauses über das „Nordamerikanische Freihandelsabkommen“ (Nafta) in Washington beglückt und waren plötzlich ebenso für Nafta zu begeistern wie die Abgeordneten aus jenen Bundesstaaten, in denen Gurken-, Erdnuß, Zucker- oder Zitronenproduzenten eine gewichtige Stimme haben. Das Handeln und Feilschen der Clinton-Administration zahlte sich aus: Mit 234 Ja- bei 200 Neinstimmen fiel die Mehrheit im US-Repräsentantenhaus für Nafta sogar weit klarer aus, als viele vorab prophezeit hatten. Die Zustimmung des US-Senats gilt nur noch als Formsache.

Für Bill Clinton war dies die zweite existentielle Kraftprobe mit dem Parlament, die er gewonnen hat. Dieses Mal kam der größte Widerstand vom gewerkschaftlich orientierten Flügel seiner eigenen Partei, den Demokraten. Clinton war am Ende darauf angewiesen, daß ihn die Opposition, die Republikaner, mit ihren Stimmen vor einem innen- wie außenpolitischen Debakel bewahrte.

Nafta-GegnerInnen können nach ihrer Niederlage zu Recht geltend machen, daß entscheidende Stimmen von der Administration „eingekauft“ wurden. Allerdings konterkarierten die Lockmittel das, was Nafta zu forcieren vorgibt: den Freihandel. Da wurden Abgeordnete aus Florida mit dem Versprechen geködert, daß die lokalen Farmer durch staatliche Aufkäufe von Tomaten für Schulspeisungen vor der mexikanischen Konkurrenz geschützt werden. Möglichen Preissenkungen für Gurken und Zitrusfrüchte, bedingt durch wachsende Importe aus Mexiko, will die US-Regierung durch Einfuhrzölle begegnen. Je näher die Stunde der Abstimmung im Parlament nahte, desto absurder gestalteten sich die Verhandlungen mit widerspenstigen VolksvertreterInnen. Ein Abgeordneter aus Florida soll für seine Jastimme die Auslieferung eines Mannes aus Mexiko gefordert haben, der in seinem Bundesstaat wegen Vergewaltigung gesucht wird. Für parlamentarische Mehrheiten gelte der gleiche Grundsatz wie für Würste, resümierte nach der Abstimmung CNN-Kommentator William Schneider: „Bei der Herstellung sollte man besser nicht zusehen.“

Bis zuletzt hatten außerparlamantarische Nafta-OpponentInnen, allen voran die US-Gewerkschaften und Umweltschutzgruppen, mit Demonstrationen, Zeitungsanzeigen, Telephonkampagnen und direkten Gesprächen mit Abgeordneten gegen das Abkommen mobilisiert. Die Gewerkschaften sind zweifelsohne die großen Verlierer dieser Auseinandersetzung. Sie hatten die Debatte zu einem politischen wie ökonomischen Existenzkampf für die ArbeitnehmerInnen erklärt. Nun stehen sie vor dem Problem, ihrer Klientel die Niederlage gegen einen Präsidenten zu erklären, dessen Wahl sie enthusiastisch unterstützt hatten.

Ob Nafta aufgrund des enormen Lohngefälles zwischen den USA und Mexiko unterm Strich mehr Arbeitsplätze in den USA zerstört als durch Exportzuwächse schafft, war der Streitpunkt in der öffentlichen Debatte.

Das Thema Ökologie blieb bei der Debatte der letzten Wochen dagegen eher im Hintergrund. In ganzseitigen Anzeigen hatten Umweltschutz- und Verbrauchergruppen wie der „Sierra Club“, „Friends of the Earth“ oder „Public Citizen“ noch einmal ihre Kritik an Nafta geltend gemacht. Nationale Umwelt- und Verbraucherschutzstandards würden durch Nafta außer Kraft gesetzt. So seien in Mexiko siebzehn Pestizide bei der Lebensmittelproduktion zugelassen, die in den USA verboten sind, nun aber doch den Weg in den Magen der US-KonsumentInnen finden könnten.

Solche Konflikte können auch nicht im Rahmen jener Umwelt- Nebenabkommen geregelt werden, die die Clinton-Administration im Sommer mit Mexiko und Kanada aufgehandelt hatte. Beschwerden können bei einem in Kanada angesiedelten Nafta-Sekretariat für Umweltfragen oder in einem in den USA angesiedelten Sekretariat für Arbeitsschutz-und Lohnfragen eingereicht werden. Doch nur wenn eines der drei Nafta-Länder wiederholt und mit spürbarer Wirkung auf den Handel die eigenen Umwelt-, Arbeitsschutz- oder Lohngesetze unterläuft. Ein Dreiergremium könnte in diesem Fall Strafen von bis zu 20 Millionen Dollar gegen die betreffende Regierung verhängen. Sollte diese sowohl die Zahlung als auch die Einhaltung ihrer eigenen Gesetzte verweigern, können die anderen mit Handelssanktionen reagieren.

In Washington heißt es, nach der Einigung bei Nafta hätten sich auch die Chancen auf eine für die USA positive Einigung bei den Gatt-Verhandlungen verbessert. Und das obwohl man gerade wieder neue Zölle für Zitrusfrüchte versprochen hat.