Militante: Zurück zu den RAF-Wurzeln

Schüsse auf Zentrale des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall / „Militante“ fordern Rückkehr zum bewaffneten Kampf und die „direkte Konfrontation“ mit den Herren des Kapitals  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Nach den Schüssen auf den Kölner Hauptsitz des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe das Ermittlungsverfahren an sich gezogen. Ermittelt wird wegen des „Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“. Bislang Unbekannte hatten am späten Mittwoch abend aus der Parkanlage „Volksgarten“ heraus mindestens sieben Schüsse auf das gegenüberliegende Gebäude abgegeben. Durch zwei Fenster in der zweiten Etage schlugen die Kugeln in der Telefonzentrale des Verbandes ein. Zum Zeitpunkt des Anschlages, gegen 20.15 Uhr, hielt sich niemand in dem Gebäude auf. Alarmiert wurde die Polizei durch eine Nachbarin, die zwei Personen mit einer Taschenlampe beobachtet und die Schüsse gehört hatte.

In einem zweiseitigen Bekennerschreiben, das, von einer Taschenlampe angestrahlt, auf einem Parkweg gefunden wurde, übernehmen „Militante aus dem antiimperialistischen Widerstand in der BRD“ die Verantwortung für den Anschlag. Die im Arbeitgeberverband organisierte „BRD- Elite“, heißt es in dem Schreiben, sei „ins Visier genommen und beschossen“ worden, weil sie „an vorderster Front die soziale Realität von Tausenden von Menschen hier wie international bestimmt“.

Offensichtlich handelt es sich dabei um eine Gruppe, die nach dem Bruch zwischen den Illegalen der RAF und der Mehrheit der RAF-Gefangenen die Linie der Hardliner außerhalb der Gefängnisse fortführen und zu einer „Politik der militanten/bewaffneten Aktion“ zurückkehren will.

Die Nähe zu den RAF-Gefangenen, die sich ausdrücklich von der Deeskalationserklärung der RAF-Aktiven vom April letzten Jahres distanziert haben, wird durch die Verwendung eines Zitates der im bayerischen Aichach inhaftierten Brigitte Mohnhaupt vom August 93 deutlich. Wegen eines angeblich geplanten „Deals mit dem Staat“ hatte sich Mohnhaupt im Namen der Mehrheit der Gefangenen von den Illegalen im Untergrund und den in Celle einsitzenden Dellwo, Taufer und Folkerts losgesagt.

Anläßlich der Verfahren, die vor dem Frankfurter Oberlandesgericht gegen die RAF-Gefangenen Rolf-Clemens Wagner und Eva Haule zur Zeit stattfinden (siehe auch Seite 5), erklären die Militanten in dem Bekennerbrief, Wagner sei „in der Phase in der Guerilla organisiert“ gewesen, „als unter anderem die Aktion gegen Schleyer in Köln durchgeführt wurde“. Haule sei „während der antiimperialistischen Frontoffensive Mitte der 80er Jahre in Gefangenschaft geraten“. Das „Konfrontationsniveau von damals“ müsse jetzt wieder erkämpft werden.

Eine Abkehr vom vorläufigen Verzicht auf Attentate gegen führende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft wird auch mit der Formulierung gefordert: „Die Eroberung revolutionärer Gegenmacht von unten läuft hier, wie international, unter anderem über die direkte Konfrontation mit den Herren des Kapitals“. Als Bezugspunkte „unserer Politik“ wird genannt, „was die Guerilla vom 14.5. 1970 bis zum 1.4.1991 verwirklicht hat“. Im Mai 1970 war der inhaftierte Andreas Baader bei einem bewaffneten Überfall auf das Zentralinstitut für soziale Fragen in Berlin-Dahlem befreit worden, am 1. April 1991 erschoß das RAF- Kommando „Ulrich Wessel“ den Chef der Berliner Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder. Wie stark sich die Gruppe aus dem antiimperialistischen Widerstand von der RAF im Untergrund abgrenzt, erschließt sich auch daraus, daß die Buchstaben RAF in dem ganzen Text nicht einmal erwähnt werden. Wolfgang Gast